Es ist ein Buch, das zu den wichtigsten der europäischen Geschichte gehört: die „Politeia“ des Philosophen Platon. Mit diesem Buch und mit diesem Philosophen beginnt eine neue Zeitrechnung der Philosophie und damit auch unserer europäischen Kultur.
Entsprechend unmöglich ist es, in einem kurzen Blog zu versuchen, dieses Buch auch nur irgendwie angemessen darzustellen. Daher soll es nur um ein zentrales Motiv dieses Buch gehen: das berühmte Höhlengleichnis.
Platon
Platon (428-347 v. Chr.) ist der historisch erste Philosoph, von dem ein wirklich umfassendes, thematisch weites Gesamtwerk überliefert ist. Vor ihm gibt es nur einzelne Zitate und mehr oder weniger kurze Versatzstücke einzelner Philosophen – wenn überhaupt. Von Platon sind hingegen vollständige Bücher überliefert zu allen möglichen Themen, die von nun an die Themen der Philosophie sind: Erkenntnistheorie, Sprachphilosophie, Politische Theorie, Metaphysik, Ethik usw.
Alles, was nach Platon kam, musste Platon zur Kenntnis nehmen und sich irgendwie zu Platon verhalten – positiv oder negativ.
Politeia
In seinem Werk „Politeia“ beschäftigt sich Platon mit der Frage, wie eine Gesellschaft aufgebaut sein soll und nach welchen Werten diese Gesellschaft funktionieren soll.
Im VII. Buch der Politeia erzählt Platon das berühmte Höhlengleichnis.
Menschen werden in einer Höhle als Gefangene gehalten. Sie sind so gefesselt, dass sie ihren Kopf nicht bewegen können und immer auf die Wand vor ihnen schauen müssen. Sie können weder den Ausgang der Höhle sehen, noch, was hinter ihnen passiert.
Hinter ihnen ist eine Mauer. Hinter dieser Mauer brennt ein Feuer, das die Hölle erhellt. Zwischen Feuer und Mauer tragen Menschen verschiedene Gegenstände, Figuren, Vasen und ähnliches.
Der Effekt: die gefesselten Menschen sehen vor ihnen an der Wand die Schatten dieser Figuren und halten diese Figuren für echte Lebewesen. Sie kennen nichts anderes, sie sehen diese Schatten, die sich bewegen, sie hören die Stimmen: sie müssen diese Schatten für echte Lebewesen halten, für die Realität, in der sie leben.
Wenn ihnen jemand sagen würde: das sind doch nur Schatten, das ist keine Realität – sie würden ihm nicht glauben. Wieso auch?
Was wäre nun, wenn einem der Gefangenen die Fesseln gelöst werden? Er würde sich wehren. Er würde seine Höhle nicht verlassen wollen. Er würde von dem Feuer geblendet werden. Er würde erschrecken über die Menschen, die die Figuren tragen. Er würde noch mehr erschrecken, wenn er dann die Höhle verlässt und die „wirkliche“ Welt sieht: die Sonne, die Natur usw.
Wenn dann dieser Mensch zu den anderen zurückkehrt, ihnen von der Welt draußen erzählt: sie würden ihm nicht glauben. Sie würden sich weigern, ihre Höhle zu verlassen.
Fazit
Platon selbst erklärt dieses Gleichnis so, dass die Höhle für „diese“ Welt steht, für das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Der Philosoph hat die Aufgabe, die Höhle dieser Welt zu verlassen: sich nicht blenden zu lassen von der Oberflächlichkeit dessen, was jeden Tag auf einen einstürzt, sondern tiefer zu gehen, die Höhle zu verlassen und dann Schritt für Schritt zu erkennen, was die Welt ist und wie sie funktioniert.
Spannenderweise haben sich in den letzten Jahrzehnten – gerade durch die Digitalisierung – einige Dinge so entwickelt, dass das Höhlengleichnis in einigen Punkten sehr aktuell erscheint.
- Der Bezug der „Höhle“ zur „Filterblase“ der heutigen Medien drängt sich geradezu auf. Das Phänomen ist bekannt: man bekommt nur noch die Informationsquellen angezeigt, für die man sich eh interessiert. Der Effekt: eine Filterblase, die das eigene Weltbild überhaupt nicht hinterfragt, sondern nur das bestätigt, das man eh glaubt.
Eine solche Filterblase kann nicht nur bei Einzelpersonen, sondern auch bei kompletten Gesellschaften und in Unternehmen entstehen. Man stützt sich auf die immer gleichen Informationen, die unhinterfragt immer neu übernommen werden. Man wird blind für Veränderungen und neue Informationen. Man verrennt sich in einem Markt, weil man nicht nach rechts oder links schaut. - Tiefe statt Oberflächlichkeit: die Medien präsentieren Informationen in einer immer schnelleren Art. Der Einzelne hat wenig Zeit oder Lust, sich tief in eine Materie einzuarbeiten und will schnell wissen, wie sich etwas verhält. Entsprechend kurz und knackig müssen die Informationen sein, entsprechenden Erfolg haben Politiker, die einfache Parolen von sich geben.
Platons Höhlengleichnis ist ein Plädoyer, die Dinge nicht hinzunehmen, weil es alle es so tun, oder an Dinge zu glauben, weil alle an diese Dinge glauben. Das vermeintliche Wissen der anderen ist genauso zu hinterfragen wie das eigene Wissen, das auf sehr tönernen Füßen stehen kann.
Schnell ist oberflächlich. Um etwas wirklich verstehen zu können, muss man tief in diese Sache eindringen. Das erfordert Zeit und Mühe, zwei Dinge, die keiner gerne einsetzt, die sich aber lohnen und die unverzichtbar sind, wenn man etwas wirklich verstehen will.
Literaturempfehlungen:
Lege, Joachim: Politeia: Ein Abenteuer mit Platon.
Platon, Der Staat.
Zehnpfennig, Barbara: Platon zur Einführung.