Ethik, Moral und Recht: eine Dreiheit, die nicht immer leicht voneinander abzugrenzen ist und trotzdem darüber entscheidet, wie gut oder schlecht das Zusammenleben funktioniert: das gesellschaftliche genauso wie das im Unternehmen.
Diese drei Größen – Ethik, Moral, Recht – sind nicht isoliert zu betrachten, sondern stehen in einem bestimmten Verhältnis. Nur wenn dieses Verhältnis stimmt, funktioniert diese Dreiheit.
Natürlich hat es viele Philosophen gegeben, die diese Dreiheit beschrieben haben. Besonders gelungen und griffig hat es der französische Philosoph Paul Ricœur (1913-2005). In seinem Werk „Das Selbst als ein Anderer“ erläutert er diese Dreiheit so:
1. Das gute Leben: Ethik
An erster Stelle sieht Ricœur das „gute Leben“. Letztlich geht es in der gesamten Ethik um ein „gutes Leben“, also darum, ein Leben zu führen, dass für einen selbst und für die anderen „gut“ ist: sinnvoll, an tragfähigen Prinzipien orientiert.
Entsprechend geht es im ersten Schritt darum, für sich selbst herauszufinden, was denn „gut“ ist im Leben bzw. wie denn das eigene Leben aussehen soll, wenn es „gut“ ist. Es geht darum, seinem eigenen Leben eine Idee davon zu geben, wohin es eigentlich will, an welchen Werten und Prinzipien sich das eigene Leben orientiert und ob sie tragfähig und „gut“ sind.
Dieses wichtige und unumgängliche Nachdenken ist „Ethik“. Die Ethik ist die Basis, die man brauch, um sich auszurichten und dann – im 2. Schritt – zu handeln.
2. Mit dem anderen und für ihn: Moral
Im 2. Schritt geht es um das Handeln und dieses Handeln hat immer auch mit dem „anderen“ zu tun: mit den Menschen, die uns umgeben: in der Familie, im Unternehmen, in der Gesellschaft, wo auch immer. Die Ethik, die Idee vom guten Leben, beginnt zwar immer bei einem selbst, kommt aber notwendigerweise zum Mitmenschen, weil das, was ich mache, auch immer Konsequenzen für meine Mitmenschen hat.
Diese Ebene ist die der Moral, nämlich die Frage, wie das, was ich mir in der Ethik über das gute Leben entwickelt habe, Konsequenzen hat für mein Tun, nicht nur eine Idee bleibt, sondern konkret wird. Hierbei ist es wichtig, zu einer Art Gerechtigkeit zu gelangen, die sich ergibt aus meinen eigenen Ansprüchen und denen des anderen – beide sind legitim.
3. In gerechten Institutionen: Recht
Das, was in den ersten beiden Schritten entwickelt wurde, muss nun gesichert werden in Regeln und Gesetzen. Ich habe in der Ethik eine Idee davon, wie ein gutes Leben aussehen soll. Ich handle in der Moral so, dass diese Idee für mich und für die anderen konkret wird. Nun wird dieses Handeln in Regeln festgeschrieben und damit gesichert.
Diese Sicherung ist notwendig, damit die Ethik und die Moral konkret und nachvollziehbar werden. Gleichzeitig bedeutet diese Sicherung aber nicht, dass diese Regeln in Stein gemeißelt sind und unveränderlich sind. Im Gegenteil müssen die Regeln immer wieder mit der Ethik und der Moral abgeglichen und korrigiert werden.
Fazit
Ricœurs Beschreibung der Dreiheit von Ethik, Moral und Recht bietet viele Vorteile. Sie macht deutlich, dass Ethik, Moral und Recht etwas Verschiedenes sind und trotzdem nur zusammen funktionieren können. Eine reine Ethik wird zu einem puren Egoismus, eine reine Moral wird zu einem Verschleiß durch die Ansprüche anderer, ein reines Recht zu einer Tyrannei der Regeln.
Es braucht die Selbstreflexion, es braucht den Einbezug der Mitmenschen, es braucht die Sicherung in den Regeln. In diesem Zusammen gelingt ein Leben, das strukturiert, durchdacht, sinnvoll und tragfähig ist – in der Gesellschaft wie im Unternehmen.
Literaturempfehlung:
Paul Ricœur: Das Selbst als ein Anderer
Lieber Michael,
mit Freude habe ich diese kurz gefassten Gedanken gelesen.
Meine Frage ist: gehören den nicht über die kodifizierten Regeln im “Recht” auch noch all die anderen (geschriebenen und ungeschriebenen) Regeln, die über das “Recht” hinausgehen, zu der erforderlichen Sicherung?
Viele herzliche Grüße
Katharina