Am nächsten Sonntag, den 18. Mai, wird der US-Amerikaner Robert F. Prevost als der neue Papst Leo XIV. in einem festlichen Gottesdienst in sein Amt eingeführt. Aufgrund der Machtfülle, die ein Papst in der katholischen Kirche besitzt, ist ein Papstwechsel bzw. der Beginn einer neuen Amtszeit von zentraler Bedeutung für die Kirche: warum wurde diese Person gewählt? Was kann er und was will er?
Das Konklave
Ein Konklave ist keine normale Wahl, wie wir sie sonst kennen. Es ist nicht so, dass die Wahlberechtigten irgendwo ein Kreuzchen machen, mit diesem Kreuzchen die Zusammensetzung eines Parlaments bestimmen und die Macht dann in diesem Parlament vergeben wird.
Im Konklave versammeln sich alle Wähler und bestimmen einen von ihnen, der die Macht erhalten soll. Man spricht miteinander, wo man die Probleme der Kirche sieht und was ein zukünftiger Papst tun müsste. Wenn sich keine deutliche Mehrheit findet (2/3 sind nötig), dann wird von Neuem miteinander gesprochen. Auf diese Weise analysieren die Kardinäle den Zustand der Kirche und bereiten Schritt für Schritt eine Lösung vor, die die Probleme der Kirche beheben soll. Dass die Kardinäle natürlich aufgrund ihrer Auswahl nur einen sehr begrenzten Teil der Mitglieder der katholischen Kirche abdecken, sei hier nur am Rande erwähnt.
Auf diese Weise kann man die Papstwahlen immer als Resultat einer bestimmten Analyse der Kardinäle über den Zustand der Kirche sehen. Das kann manchmal schief gehen, wenn beispielsweise der gewählte Papst sich anders verhält als vorher gedacht. So etwa 1958, als man den alten Johannes XXIII. als Übergangspapst wählte, um sich neu zu sortieren, und dieser dann mit dem II. Vatikanischen Konzil einen gigantischen Reformprozess einläutete. So wählte man 1978 Johannes Paul II., um im Osten Europas wichtige Akzente zu setzen, und 2013 Franziskus, um das von Evangelikalen zusehends bedrängte katholische Lateinamerika zu unterstützen.
Was war wohl bei diesem Konklave das bestimmende Motiv der Kardinäle für die Wahl von Prevost?
Zuerst ist festzustellen, dass ein konservativ-reaktionäres Lager zwar gut organisiert war, aber keine Chance mehr auf die nötige Mehrheit hatte. Man hatte wohl ein durchaus sichtbares Stimmenpaket zusammengeschnürt, aber es kamen im Laufe der Wahlgänge keine neuen Stimmen hinzu.
Die Mehrheit der Kardinäle war von Papst Franziskus ernannt worden. Sie waren zwar durchaus konservativ, fremdelten aber mit reaktionären oder zu vatikanischen Tendenzen. Konservativ ja, das Rad der Zeit zurückdrehen in die Zeiten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. wollten sie nicht mehr.

Die Sixtinische Kapelle (Quelle: wikimedia)
Aus dem gemäßigt konservativen Lager bot sich Prevost geradezu an: er steht durch seine lange Zeit in Peru wie Franziskus für eine Öffnung gegenüber der Weltkirche, ist aber zugleich durch sein Amt in Rom gut vernetzt im Vatikan. Zudem ist er als Präfekt des Bischofsdikasteriums mit den meisten Bischöfen und allen Kardinälen auf der Welt bestens bekannt. Er ist seit zwei Jahren in diesem Amt – lange genug, bekannt zu sein, aber nicht so lange, dass er mit dem römischen Apparat wirklich eins geworden ist.
Was wohl auch eine wichtige Rolle spielte: Theologisch und inhaltlich ist Prevost auf der Linie seines Vorgängers, ist aber deutlich strukturierter und organisierter. Damit bot Prevost die Möglichkeit, das Sprunghafte und Erratische seines Vorgängers in geordnete Bahnen zu lehnen.
Auf diese Weise ergeben Franziskus und sein Nachfolger das Bild zwei miteinander verbundener Hälften: die eine Seite, die die Themen anstößt und deutlich macht, dass etwas passieren muss, die andere Seite, die das neu Angestoßene sortiert und in neue Strukturen gießt.
Dies waren wohl die entscheidenden Motive für eine breite Mehrheit der Kardinäle, sich für Prevost zu entscheiden.
Ein Motiv, das oft genannt wird, dürfte vielleicht eine gewisse, aber keine große Rolle gespielt haben. Als US-Amerikaner hat Prevost einen guten Zugang zur derzeit kritischen Situation in den USA. Entsprechend wird seine Wahl interpretiert als Signal an Trump, in sozialen Fragen und besonders in der Migrationsfrage eine kritische Position einzunehmen, zumal Prevost bereits früher als Kritiker an Trump und Vance aufgefallen war.
Dieses Motiv wird aber nicht das Entscheidende gewesen sein, da die Einschätzung der politischen Situation in den USA und in Europa in den Reihen der Kardinäle nicht so einheitlich ist, wie es das Wahlergebnis des neuen Papstes vermuten lässt. Ganz abgesehen davon, dass sich die Kirche in vielen Ländern auf der Welt mit rechtsgerichteten Regimen im Regelfall gut verstanden hat.
Was ist von der Amtszeit des neuen Papstes zu erwarten?
Der neue Papst wird theologisch und inhaltlich den Kurs seines Fortgängers fortsetzen. Ist das nun konservativ oder progressiv?
Hierzu eine wichtige Anmerkung. Es ist ein Fehler und führt in die Irre, politische Kategorien auf kirchliche Würdenträger zu übertragen. In der Politik gilt: links ist fortschrittlich, rechts ist konservativ (ob zu Recht, steht auf einem anderen Blatt). In der Kirche gilt dies nicht.
Beispielsweise Franziskus war politisch links: er setzte sich für Arme und Schwache ein und war volksverbunden. Deshalb galt er als progressiv. Zu Unrecht, denn er war konservativ. Er wollte an der Lehre der Kirche nicht rühren, am klassischen Amtsverständnis wurde nicht gerüttelt, Homosexuelle wurden nicht mehr verurteilt, aber blieben Sünder.

Papst Leo XIV. (Quelle: wikimedia)
Ähnlich verhält es sich mit Leo XIV. Er wird sich für die Armen und Schwachen einsetzen, er wird Zeichen der Nähe zu den Menschen setzen, er wird gewisse Missstände der Kirche durch neue Strukturen vielleicht sogar beenden, aber er wird theologisch und inhaltlich alles beim Alten belassen: weder werden in absehbarer Zeit Frauen zum Priesteramt zugelassen noch wird die Homosexualität ihren Sündenstatus verlieren.
Der neue Papst wird sehr wahrscheinlich an der Lehre der Kirche nichts ändern, aber er wird Strukturen verändern, um gewisse Missstände endlich effektiv zu bekämpfen: den sexuellen Missbrauch, die Korruption gerade im Vatikan, die übelsten Auswüchse des „Klerikalismus“.
Daneben wird der Papst einen deutlichen sozialen Akzent setzen und damit in Konflikt kommen mit Trump und anderen Regierungen, die ihm nacheifern. Dieser Konflikt war nicht das Ziel der Kardinäle, als sie gewählt haben, aber es wurde zumindest in Kauf genommen und wird wohl auch so passieren, weil der neue Papst in der Vergangenheit sich durchaus als fähig und gewillt gezeigt hat, Konflikte einzugehen und auch auszutragen. Er wird mit Trump keine Kompromisse schließen und er muss sie auch nicht schließen. Mit Zöllen ist er zumindest nicht erpressbar.
Was bedeutet die Wahl Leos XIV. für die Kirche?
Der Papst gilt als gemäßigt konservativ. Das heißt, die Kardinäle wollten weder ein reaktionäres noch ein progressives Programm. Das bedeutet:
- Die von den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. versuchte Restauration der „alten Kirche“ ist wohl endgültig vorbei. Diese Politik ist nicht mehr mehrheitsfähig bei den Kardinälen und wird es wohl auch nicht mehr werden. Der Weg des II. Vatikanischen Konzils einer moderaten Modernisierung der Kirche wird fortgesetzt.
- Eine tiefere Erneuerung der Kirche wird es vorerst nicht geben. Das ist nicht weiter überraschend, da keiner auch nur Bischof oder Kardinal wird, der eine solche Erneuerung wünscht. Es ist gewünscht, gewisse Missstände zu beseitigen und ein gewisses Chaos zu beseitigen.
Es ist aber noch nicht die Einsicht vorhanden, dass gewisse Missstände in der Kirche (bis hin zum Missbrauch) ihre Ursachen nicht in der Struktur der Kirche haben (die als durchaus veränderungsfähig angesehen wird), sondern tiefer liegen: im grundlegenden Verständnis von Kirche und kirchlichem Amt. Solange es dort keine Veränderungen gibt, werden gewisse Missstände immer wieder auftauchen und die Kirche ihre Krise zwar verlangsamen, aber nicht beenden können.