Es ist eine Ankündigung, mit der man rechnen konnte, aber dennoch erschrocken ist, wenn sie konkret wird: Donald Trump hat angekündigt, Linda McMahon zur neuen Bildungsministerin zu ernennen. Eine Managerin von Wrestling-Kämpfen.
Diese Ernennung ist insofern folgerichtig, weil sie einem Muster folgt. Es ist interessant zu sehen, dass rechte oder vielmehr rechtspopulistische Regierungen direkt nach Regierungsantritt gewöhnlich damit beginnen, den Bildungsbereich zu schreddern.
Gegen die Bildung
Hier in den Niederlanden herrscht eine bunt zusammengewürfelte Regierung, die vom Rechtspopulisten Geert Wilders und seiner PVV gesteuert wird. Diese Regierung hatte in den ersten Monaten zwei große inhaltliche Themen: das eine ist – wenig überraschend – die Migration, das zweite – auf den ersten Blick etwas überraschender – die Bildung.
Die Universitäten werden massiv runtergekürzt. Angesichts der gut erforschten Tatsache, dass jeder Euro, der in die Universitäten investiert wird, im Laufe der Jahre mehrfach zurückkommt, ist das schwer verständlich. Wenn dann allerdings sogar Maßnahmen wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Bücher angekündigt werden, wird deutlich, dass es nicht um Geld geht, sondern um einen prinzipiellen Kampf gegen Bildung.
Wenn man sich die Türkei, Ungarn, Italien, Polen, Großbritannien und andere Länder anschaut, in denen in den letzten Jahren rechte oder rechtspopulistische Regierungen am Werk waren: immer ging es um radikale Kürzungen und Umstellungen im Bildungsbereich.
Hierfür ist vor allem ausschlaggebend, dass die Bildung die notwendige Grundlage von berechtigter Kritik ist. Die Bildung befähigt den Menschen, die Arbeit der Regierung zu beurteilen. Sie ist daher die große Stütze der Demokratie und gerade die Universitäten sind wichtige Institutionen, die Kritikfähigkeit einer Gesellschaft zu erhalten.
Vorauseilender Gehorsam
Es fällt jedoch ein weiteres Phänomen auf. Nicht nur, dass rechte und rechtspopulistische Regierungen schnell versuchen, den Bildungssektor runterzufahren und seiner Unabhängigkeit zu berauben: die Institutionen nehmen dies hin und setzen Maßnahmen der Selbstbeschränkung um, bevor sie überhaupt beschlossen sind.
Im Frühsommer kündigte die neue Regierung in den Niederlanden an, die Universitäten zu kürzen. Es gab keine empörten Demonstrationen von Studenten. Die erste wurde für den 14. November (!) in Utrecht angesetzt. Als dann wegen der progromartigen Szenen in Amsterdam im Rahmen eines Fußballspiels die Stadtregierung in Utrecht die Absage der Demonstration wegen möglicher Unruhen empfahl, kam man dem sofort nach. Die Demonstration soll nachgeholt werden.
Zugleich haben die Universitäten bereits begonnen, die Kürzungen umzusetzen. Nicht rentable Studienfächer werden geschlossen, Entlassungen werden angekündigt. Bevor die Kürzungen beschlossen sind, wohlgemehrt.
Auf dieses Phänomen hat immer wieder der Amerikaner Timothy Snyder aufmerksam gemacht. Er beschreibt immer wieder den Vorgang, dass öffentliche Institutionen wie die Universitäten, aber auch die Justiz, der öffentliche Rundfunk oder ähnliche Einrichtungen bereits anfangen, Kürzungen vorzunehmen oder andere unbequeme Maßnahmen umzusetzen, sobald sie auch nur ahnen, dass die autoritäre Regierung sie umsetzen will.
Dieser vorauseilende Gehorsam hat damit zu tun, dass die Institutionen hoffen, damit aus der Schusslinie der autoritären Regierung zu kommen. Wir geben ihnen jetzt, was sie haben wollen, dann lassen sie uns in Ruhe. Dieses Appeasement hat jedoch innenpolitisch die gleiche Konsequenz wie außenpolitisch: sie stellt den Aggressor nicht zufrieden, sondern macht ihn noch hungriger.
Timothy Snyder hat mit Blick auf die Faschisten in Italien, die Nationalsozialisten in Deutschland und andere autoritäre Regierungen nachgewiesen, dass auf diese Weise in der Anfangszeit dieser Regierungen wichtige Stützen der Demokratie sich selbst matt gesetzt haben und den neuen Regierungen auf diese Weise oft erst den Freiraum boten, zur Diktatur zu werden.
Bildung!
Die Bildung ist zentral für das Wohlergehen eines Landes. Sie schafft nicht nur neues Wissen und damit neuen Wohlstand, sondern sie macht insbesondere in den Geisteswissenschaften die Bürger fähig, ihre Situation und die ihrer ganzen Gesellschaft beurteilen zu können. Diese Fähigkeit wird nicht gerne gesehen von denen, die kein Interesse an einer demokratischen Gesellschaft haben. Ein Angriff auf das Bildungssystem muss als das wahrgenommen werden, was es ist: ein Angriff auf eine der wichtigsten Stützen der Demokratie.
Wir sehen in diesen Jahren, wie in vielen westlichen Ländern einmal gewählte rechte und rechtspopulistische Regierungen direkt und sofort die Bildung in ihren Gesellschaften bekämpfen wollen. Oftmals – wie hier in den Niederlanden – ist dieser Kampf noch nicht entschieden.
Aber die bereits stattfindenden Kämpfe sollten gerade die Menschen in Deutschland für zwei Dinge sensibel machen: wie wichtig Bildung für die Gesellschaft ist und wie schnell autoritäre Regierungen mit kleinen und großen Maßnahmen dasjenige angreifen, was sie in Zukunft aufhalten oder behindern könnte. Es geht wirklich sehr schnell.
P.S. Die Mehrwertsteuererhöhung für Bücher wurde von der niederländischen Regierung wieder zurückgezogen. Nach öffentlichem Widerstand.
Literaturempfehlungen:
Snyder, Timothy: Über Freiheit.
Snyder, Timothy: Über Tyrannei.