Winter 2014/2015. Jede Woche gehen in Dresden Menschen auf die Straße, jede Woche werden es mehr. Pegida ist geboren und ganz Deutschland fragt, was da eigentlich passiert auf Ostdeutschlands Straßen und wie man damit umgehen soll.

Politiker wie Sigmar Gabriel oder Heiko Maas, aber auch weite Teile der Medien sind schnell mit ihren Urteilen zur Hand und sprechen von „Nazis“ und einem „rechten Mob“. Unabhängig davon, wie verkehrt oder richtig diese Einschätzung ist, hat sie zwei Effekte: sie sorgt dafür, dass die Demonstrationen in der Tat immer rechter werden, weil dann Leute hingehen, die mit der Charakterisierung „rechts“ gut leben können; zum anderen macht sie einen Dialog faktisch unmöglich, denn mit Nazis spricht man nicht.

Mittlerweile ist das rechte politische Spektrum mit der AfD in den Bundestag gewählt worden und auch nach drei Jahren Debatte ist die Frage noch nicht geklärt: wie gehen wir mit den Rechten um? Reden wir mit ihnen oder nicht? Und wenn ja, wie reden wir mit ihnen?

“Mit Rechten reden”

Vor einigen Monaten, Anfang November 2017, erschien ein Buch, „mit Rechten reden“, das Abhilfe versprach. Völlig zu Recht prangert dieses Buch die mediale Praxis an, mit reflexartiger Empörung auf die rechten Thesen zu reagieren und will zu einem Gespräch mit den Rechten einladen. In diesem Gespräch soll es um eine Demaskierung der Rechten gehen, die sich entweder als „Opfer“ oder als „Arschloch“ darstellen. Diese Demaskierung soll gelingen mit argumentativer Stärke und mit den Mitteln logischen Denkens.

Dieses Buch wurde nicht nur, aber überwiegend im Feuilleton gefeiert. Wohl aus dem Grund, weil es einfach das Grundbedürfnis traf, endlich ein Rezept gegen die Rechte zu haben und zu wissen, wie man ihr rhetorisch gegenübertreten kann. Dieses Buch traf die Sehnsucht vieler Journalisten, die im Dialog eine wirksame Waffe gegen die Rechte sehen, aber nicht wissen, wie man diesen Dialog führen soll.

So einfach ist es jedoch nicht. Dieses Buch verfügt über zwei schwere Fehler, die miteinander zusammenhängen bzw. aufeinander aufbauen.


1. Was ist die Rechte überhaupt?

Das Buch hat eine fehlerhafte Prämisse. Die Autoren schätzen verkehrt ein, was und wer eigentlich „die Rechte“ ist. Die Rechte, so die Autoren dieses Buches, seien eine bestimmte Art der Kommunikation:

„Wir begreifen, so viel sei verraten, als ‚rechts‘ keine eingrenzbare Menge von Überzeugungen und Personen, sondern eine bestimmte Art des Redens.“ (S. 12)

Die Autoren erkennen bestimmte Gesprächs- und Diskursmuster, an denen sie die Rechte identifizieren, die Opferrolle, aber auch die Tatsache, nur einen Reflex zur „Linken“ darzustellen und ohne diesen Gegenpol nicht existieren zu können.

Selten wurde die Rechte gutmütiger und naiver unterschätzt.

Quelle: www.deutschlandfunkkultur.de

Es mag sein, dass die Rechte bestimmte Sprachmuster bevorzugt. Diese Sprachmuster sind aber nicht die Rechte und definieren nicht die Rechte. Keiner ist rechts, weil er an bestimmte Sprachmuster glaubt oder auf eine bestimmte Art und Weise argumentiert. Rechts zu sein, ist keine Argumentationsweise, sondern eine Welteinstellung. Ein Rechter verfügt über bestimmte Werte, die ihn als Rechten definieren. Grundlegend ist hier der Glaube an die völkische Einheit, die auch zum Rassismus werden kann; hieraus ergibt sich eine Ablehnung des Internationalen, die der Rechte in der Linken, aber auch im Judentum manifestiert sieht.

Volker Weiß hat in seinem Buch „Die autoritäre Revolte“ ein sehr gutes Bild der rechten Ideologie entworfen, die durchaus komplex ist und die vor allem nicht nur aus einem Reflex gegenüber den Linken besteht, sondern über einen eigenen Wertekanon verfügt. Die Rechte ist nicht nur der Kampf gegen Gender und Multikulti. Wer das glaubt, ist ihrer Propaganda schon ein Stück weit erlegen.

Die Rechte über ein Argumentationsmuster zu definieren, ist nicht nur inhaltlich mehr als fragwürdig, sondern wird auch dann naiv, wenn es um die Taten der Rechten geht, die mit Reden nicht viel zu tun haben. Rassismus und Antisemitismus sind ja nicht nur verbale Phänomene.

2. Was kann die Logik?

„Mit Rechten reden“ impliziert, mit logischen Mitteln die rechten Sprachmuster aufdecken zu können. Diesem Anliegen dient auch das Buch eines der Autoren, „Logik für Demokraten“ von Daniel-Pascal Zorn, der in diesem Buch sogar noch einen Schritt weiter geht und den Nachweis logischer Denkfehler in der rechten Argumentationsstruktur zum zentralen Element des Dialogs mit den Rechten bzw. Nicht-Demokraten macht. Entsprechend lebt auch „mit Rechten leben“ von einem Pathos der Überlegenheit der Vernunft gegenüber den unvernünftigen Rechten.

Dieses Vertrauen auf die Wirkmacht der Argumentationstheorie geht Hand in Hand mit der Annahme, die Rechte lasse sich durch eine Sprechweise definieren. Wenn ich davon überzeugt bin, dass die Rechte ein bestimmtes Sprechmuster hat, brauche ich eine Argumentationstheorie, dieses aufzudecken. Umgekehrt erfordert der Glaube an die Wirkmacht der Argumentationstheorie eine unlogisch kommunizierende Gruppe wie die Rechte.

Welchen Erfolg hat dieser Einsatz logischer Argumentationstheorie? Hierzu Anselm Neft, ein Aussteiger aus der rechten Szene, der in der „Zeit“ kürzlich einen Artikel über seine Vergangenheit veröffentlichte:

„Dass meine damaligen Sichtweisen in erheblichen Teilen irrational und argumentativ inkonsistent blieben, war mir nicht nur bewusst, ich sah darin auch eine Stärke. Die Überbetonung der Vernunft durch die Aufklärung betrachtete ich als eine Sackgasse.“

Das Problem liegt darin – wie bereits ausgeführt -, dass die Rechte nicht durch ein Sprechmuster zu definieren ist, sondern durch bestimmte Werte, durch einen Glauben. Dieser hat erst einmal nichts mit Logik zu tun. Das hat ein Glaube nie. Ich kann auch keinen Dortmund-Fan durch logische Argumente zu einem Schalke-Fan machen (obwohl es hier in Dortmund heißt, dass es umgekehrt möglich wäre).

Es geht um bestimmte Werte, die mit Logik nichts zu tun haben. Der Logik in der politischen Diskussion einen derart großen Raum zuzubilligen, setzt voraus, dass das menschliche Handeln vor allem durch die Logik motiviert ist – was nicht der Fall ist.

Ernst-Wolfgang Böckenförde, Rechtsphilosoph und ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, hat 1976 festgestellt, dass ein demokratischer Staat nicht in der Lage ist, die Werte herzuleiten, von denen er letztlich lebt:

“Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er um der Freiheit willen eingegangen ist.”

Die Grundprinzipien der Moral, so bereits Immanuel Kant, sind nicht logisch herleitbar, sondern werden erst einmal als gültig vorausgesetzt. Die Werte, welche die Demokratie garantieren, stehen damit jenseits der Logik – sie sind nicht unlogisch, aber eben auch nicht durch die Logik begründbar.


Werte!

Der zur Zeit in Deutschland sichtbare Konflikt ist nicht der zwischen Logik und Unlogik oder zwischen guten und schlechten Sprachmustern. Diese Dinge gibt es bei allen politischen Seiten. Der aktuelle Konflikt ist der zwischen verschiedenen Werten und Glaubenseinstellungen. Es gibt in Deutschland eine Minderheit, für die die völkische Einheit eine wichtige Rolle spielt – eine wichtigere Rolle als die Werte der liberalen Demokratie.

Entsprechend ist es nötig, die Werte der liberalen Demokratie in der Bevölkerung zu verankern. Es hilft nicht, den Redeführern der rechten Szene logische Denkfehler nachzuweisen, sondern es hilft, die Werte der Demokratie so in der Bevölkerung zu verankern, dass sie diesen Leuten nicht hinterherlaufen. Es wird immer eine Anzahl Ewiggestriger existieren, die an die völkische Einheit oder an die weitere Existenz des Deutschen Reiches glauben. Die sind unbelehrbar und müssen mit den Mitteln des Rechtsstaates verfolgt werden, sofern sie diesen nicht anerkennen.

 Bildung!

Es geht um die Leute, die keine Nazis oder Reichsbürger sind, aber sich von der Demokratie nicht genügend anerkannt fühlen. Hieraus ergibt sich zum einen der Auftrag an die Entscheidungsträger des demokratischen Staates, zu reflektieren, welche Schuld sie selbst an diesem Phänomen haben; zum anderen muss der Staat intensiver als bisher schauen, die Vermittlung der Werte der Demokratie im Bildungssystem und anderen entsprechenden Stellen zu verankern.

Die Ausrichtung der Schule auf die Naturwissenschaften im Rahmen von PISA und die zunehmende Belanglosigkeit der Geisteswissenschaften sind hier völlig kontraproduktiv. Wenn einer Umfrage zufolge 40% der Schüler nichts mit dem Stichwort “Auschwitz” anfangen können, braucht man sich nicht über ein Erstarken der Rechten zu wundern.

Demokratie ist nicht selbstverständlich, sondern muss immer wieder neu errungen werden mit den Werten, die das Fundament der Demokratie darstellen und deren zentraler Wert die Würde eines jeden Menschen ist. Dieser Wert lässt sich nicht logisch herbeiargumentieren, man muss an ihn glauben.

Und das weiß ich als ehemaliger Priester: Glaube fällt nicht vom Himmel, er braucht Fundamente, die gelegt werden müssen.

 

Literaturempfehlungen:

Rasche, Michael: Don Quijote – Die Herrschaft des Postfaktischen (Essay).

Weiss, Volker: Die autoritäre Revolte: Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes.

Wildt, Michael: Volk, Volksgemeinschaft, AfD.