In den letzten Wochen werden die Stimmen lauter, die AfD zu verbieten. Zum einen ist die Chance oder die Gefahr – je nach Standpunkt – groß, dass die AfD bei den nächsten Wahlen derart stark abschneiden wird, dass sie eventuell in die Lage versetzt wird, Regierungsbildungen in Ländern zu beeinflussen.
Zum anderen scheint die AfD immer neue Grenzen zu überschreiten, die in einer Demokratie nicht überschritten werden dürfen, wie beispielsweise das sog. „Geheimtreffen“ in Potsdam mit den Träumen einer „Remigration“.
In diesem Blog soll es erst einmal nicht um die Frage gehen, ob ein Verbot der AfD möglich oder sinnvoll oder gar geboten ist. Es soll vielmehr zuerst um prinzipielle Fragen eines Parteiverbots gehen, die in den letzten Wochen diskutiert wurden. Diese Fragen gilt es zu klären. Vorher ist es überhaupt nicht sinnvoll, über ein Verbot einer bestimmten Partei zu diskutieren.
Juristische Frage
Die Hürden für das Verbot einer Partei sind berechtigterweise sehr hoch. Nur das Bundesverfassungsgericht kann ein Verbot aussprechen und nur die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat sind berechtigt, einen Verbotsantrag zu stellen.
Nach Art. 21 Abs. 2 GG sind Parteien verfassungswidrig,
„… die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden …“
Mit der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ ist nicht die deutsche Verfassung gemeint, sondern das, was ihr zugrundeliegt: Würde des Menschen, Demokratieprinzip, Rechtsstaatlichkeit, so eine Ausführung im Urteil über die NPD 2017. Diese Punkte werden in diesem Urteil weiter ausgeführt :
- Würde des Menschen: Selbstbestimmung, elementare Rechtsgleichheit.
- Demokratieprinzip: gleichberechtigte Teilhabe aller Bürger
- Rechtsstaatlichkeit: Gewaltentrennung, Freiheit der Presse, Gewaltmonopol des Staates.
Wenn eine Partei beabsichtigt, diese wesentlichen Elemente der Demokratie zu beeinträchtigen oder zu beseitigen und dies auch noch mit einer, so wörtlich, „aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung“ tut, dann kann eine Partei in einem rechtsstaatlichen Verfahren verboten werden.
Demokratische Frage
Abgesehen von der Frage der Legalität: ist es legitim, eine Partei zu verbieten? Verstößt es nicht gegen die Demokratie, wenn eine frei und demokratisch gewählte Partei verboten wird?
Die oben genannten Kriterien sind die Grundlagen der Demokratie. Keine Demokratie kann funktionieren ohne eine prinzipielle Beachtung der Würde des Menschen, der gleichen Rechte aller Bürger und der Rechtsstaatlichkeit. Entsprechend ist es für den Selbstschutz der Demokratie ein Muss, Parteien zu verbieten, die diese Grundlagen angreifen wollen und auch effektiv angreifen können.
Dies gilt auch für Parteien, die demokratisch gewählt sind. Demokratie bedeutet nicht, dass immer und in jedem Fall die Mehrheit über alles entscheiden darf. Auch eine demokratische Mehrheit darf keine Minderheiten unterdrücken. Auch eine demokratische Mehrheit darf die Rechtsstaatlichkeit nicht abschaffen. Auch eine demokratische Mehrheit darf nicht die Grundlagen der Demokratie abschaffen.
Demokratie bedeutet, dass die Bürger der Souverän dieses Staates sind. Damit sie dies aber überhaupt sein können, müssen dazu bestimmte Regeln und Grundlagen der Demokratie eingehalten werden. Wenn dies nicht der Fall ist, kann eine Partei verboten (und die Wählerstimme damit entwertet) werden, weil die Demokratie sonst gefährdet wäre.
Pragmatische Frage
Ist es sinnvoll, eine Partei abzuschaffen? Wenn eine Partei, die über eine große Anhängerschaft verfügt und seit vielen Jahren regelmäßig in die Parlamente gewählt wird, verboten wird, verschafft man dieser Partei durch ein Verbot eine Märtyrerrolle, so ein häufiger Hinweis.
Abgesehen davon, so heißt es weiter, würde ein Verbot dieser Partei das politische Problem nicht lösen, warum es diese Partei überhaupt geben würde. Aus diesen Gründen lehnen es viele aus pragmatischen Gründen ab, eine Partei zu verbieten.
Die Frage der Pragmatik darf sich jedoch eigentlich gar nicht stellen, denn die Frage, ob etwas gesetzlich oder ungesetzlich ist, ist keine Frage der Pragmatik. Wenn jemand einen Gesetzesverstoß begeht, dann muss er dafür die Konsequenzen tragen. Öffentlicher Ärger darf kein Kriterium dafür sein, ob man einen Gesetzesverstoß überprüft.
Ein Parteiverbot kann nur erfolgen, wenn es klare Verstöße gegen die demokratische Grundordnung gibt. Sollten diese gegeben sein, war das Verbotsverfahren in jedem Fall gerechtfertigt – auch aus pragmatischen Gründen, denn das Bestehen einer demokratiegefährdenden Partei ist für die Demokratie in jedem Fall gefährlicher als die Empörung ihrer Anhänger über ein Verbot.
Die Geschichte hat gezeigt, dass Demokratien am ehesten von innen heraus in Gefahr kommen können, nicht von außen. Somit von demokratiefeindlichen Parteien, die sich in die Parlamente wählen lassen, und nicht von der Straße. Nicht der Putsch Hitlers war erfolgreich und brachte ihn an die Macht, sondern die Stärke seiner Partei im Reichstag.
Der Hinweis, dass ein Verbot der Partei das Problem nicht löst, warum es diese Partei gibt, ist zwar völlig korrekt. Aber auch hier gilt: ob eine bestimmte politische Arbeit notwendig ist, ist völlig unabhängig von der Frage, ob man bei einer Partei eine illegale und illegitime Gefährdung der Demokratie feststellen muss. Als wäre es im Falle des Verbots einer Partei nicht mehr nötig, das politische Problem zu beackern, warum es diese Partei gegeben hat. Diesem Problem muss man sich stellen, ob ein Verbot erfolgt oder nicht.
Fazit
Wenn eine Partei die freiheitliche demokratische Grundordnung beeinträchtigt oder beseitigen möchte, dann, so das Grundgesetz, ist sie verfassungswidrig. Hieraus ergibt sich der Auftrag, diese Verfassungswidrigkeit auch festzustellen, wenn ein erhärteter Verdacht besteht.
Vermeintliche demokratische („Ein Verbot ist gegen die Demokratie!“) oder pragmatische Einwände („löst das Problem nicht!“) greifen hier nicht.
Ein Verbot einer Partei ist in der Tat ein schwerwiegender Eingriff in das demokratische Leben eines Staates. Das Grundgesetz hat für so ein Verbot zu Recht sehr hohe Hürden angesetzt. Sollte eine Partei diese Hürden reißen, dann ist ein Verbot mehr als verdient und für den Erhalt der demokratischen Ordnung sogar notwendig.
Im Falle der AfD sind bereits mehrere Landesverbände und weitere Untergliederungen durch den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingeordnet worden, Teile der Parteiführung dürfen gerichtlich bestätigt als „Nazis“ bezeichnet werden, Verbindungen der Partei zu gewaltbereiten Kreisen sind belegt. Ein Anfangsverdacht ist also mehr als vorhanden.
Es ist nun an den Juristen, zu prüfen, ob sich hieraus das Material ergibt, den Gang nach Karlsruhe zu gehen und ein Verbotsverfahren zu beantragen. Sollte das Material vorhanden sein – was ich nicht beurteilen kann -, so ist ein Verbotsverfahren eine Pflicht, um die Demokratie in Deutschland vor Schaden zu bewahren.
Richtig so. Das Grundgesetz legt, so wie ich es sehe, auch einen großen Wert darauf, dass sich die Mitglieder im demokratischen Rahmen organisieren. Die Organisation ist erst die Basis, dass sich vielfältige Meinungen zu einer Richtung zusammenfinden können. Wenn die Organisation aber missbraucht wird, um Ziele gegen die Demokratie zu verfolgen, ist es essentiell, die Organisationen aufzuheben und zu verbieten. Damit löst es nicht die Einstellung der Gegner der Demokratie, aber sie haben keine Basis mehr, um sich zu artikulieren (oder weniger).
Ein guter und wichtiger Beitrag!
Saskia Esken antwortete in den österreichischen Nachrichten auf die Frage von Moderator Armin Wolf, “Ist es nicht armselig, wenn sich eine Partei wie die SPD gegen politische Konkurrenz nicht anders zu helfen weiß als durch ein Verbot?”, dass es eine inhaltliche Auseinandersetzung bräuchte, Finanzströme ausgetrocknet werden müssten und und und.*
Die einzig richtige Antwort hätte in der Feststellung bestanden, dass es NICHT die SPD ist, die ein Verbot aussprechen würde, sondern das Bundesverfassungsgericht. Damit schützt sich nicht eine Partei gegen eine andere, sondern die Demokratie selbst gegen Antidemokraten!
Das schlüsseln Sie hier wunderbar auf, danke für den reflektierten Beitrag.
* [ https://www.derstandard.at/story/3000000218388/ist-afd-ausschluss-um-jeden-preis-demokratisch-wolf-hinterfragt-spd-chefin-esken ]