Am letzten Samstagmorgen durchstießen tausende Terroristen der Hamas die Grenze und drangen in israelisches Gebiet ein. Wohin sie kamen, wurde vergewaltigt, gefoltert und getötet. Selbst Babys wurden geköpft. Zugleich wurden tausende Raketen auf Israel abgefeuert.

Was in diesen Stunden in Israel geschah, ist an Unmenschlichkeit und Barbarei nur schwer zu überbieten. Entsprechend schwer erträglich ist es, wenn Menschen auf deutschen Straßen diese Barbareien feiern.

Die Empörung in Politik und Medien über diese Feiern ist groß, aber auch etwas verlogen angesichts der Tatsache, dass sie selbst nicht ganz unverantwortlich für diese Feiern sind.


 

Das Wegschauen

Nüchtern betrachtet, ist das, was da in den letzten Tagen in Israel passiert, exakt das, was auf Pro-Palästina-Demonstrationen seit Jahren auf deutschen Straßen gefordert wird. Seit Jahren werden auf Demonstrationen Transparente gezeigt, in denen Israel oder auch allen Juden mit Tod und Vernichtung gedroht wird. Der Staat schaute weg und griff nur ein, wenn etwa ein Anwohner eine Israel-Fahne als Gegensignal aus dem Wohnungsfenster hängen wollte.

In den Schulen trauen sich viele Lehrer nicht mehr über Nationalsozialismus und den Holocaust zu sprechen, weil sie von muslimischen Schülern teilweise tätlich angegriffen werden. Außer einem offiziellen Wehklagen über die schlimme Welt gab es bisher keine Reaktionen.

Seit Jahrzehnten werden muslimische Organisationen in Deutschland toleriert oder sogar finanziell unterstützt, die zu Gewalt gegen Israel aufrufen oder sogar den Terrorismus der Hamas mitfinanzieren. Als das Regime im Iran – das nicht nur Tausende Iranerinnen und Iraner auf dem Gewissen hat, sondern auch der größte Finanzier des Terrors im Nahen Osten ist – vor einigen Jahren sein Jubiläum feierte, war Bundespräsident Steinmeier unter den freundlichsten Gratulanten.

Das Fanal dieses Wegschauens geschah im August 2022 als der Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas Berlin besuchte und unwidersprochen in Gegenwart des Bundeskanzlers den Holocaust relativieren konnte. Immerhin hatte Abbas sich hier noch zurückgehalten: 2016 hatte er eine Rede vor dem Europa-Parlament gehalten, in dem er Israel vorwarf, Wasser-Vergiftungen zu planen. Abbas selbst gab später zu, dass es sich hierbei um eine Lüge gehandelt habe. Der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach dennoch von einer „inspirierenden Rede“.

Die Hamas terrorisiert nicht nur Israel, sie terrorisiert auch ihr eigenes Volk. Palästinenser, die nicht mit dem Regime der Hamas einverstanden sind, werden gefoltert und getötet. Nach innen wie nach außen ist alles auf Gewalt und Schrecken ausgelegt. Hilfsgelder werden für Waffen ausgegeben, die humanitäre Lage des eigenen Volkes ist der Hamas egal bzw. sie darf nicht gut werden, damit der Hass auf Israel weiter wächst.

Dann werden Schulen und Krankenhäuser zu Stützpunkten der Hamas, weil es bei einem Angriff Israels schreckliche Bilder für die Weltpresse gibt. Dann werden eben beispielsweise von der EU finanzierte Wasserleitungen ausgegraben und zu Raketen umgebaut. Diese Dinge sind nicht spekulativ, sondern von der Hamas selbst veröffentlicht, die eben von Gewalt und Schrecken lebt. Was aber geflissentlich übersehen wird.

Es gibt ein kollektives Wegschauen: Organisationen und Politiker aller Couleur können offen zu Tod und Vernichtung Israels aufrufen, ohne dass dem widersprochen würde. Das fördert jedoch die Akzeptanz dessen, was dort gefordert wird. Und damit auch dessen, was in den letzten Tagen geschehen ist.


 

„Neutralität“

Neutralität ist ein hohes Gut. Und zu Recht sind Politiker und Journalisten um Neutralität bemüht. Der seit Jahrzehnten andauernde Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern hat viele Facetten, die man in der Tat von beiden Seiten her beleuchten muss.

Diese Neutralität muss jedoch auch ihre Grenzen haben, ganz einfach, weil die Realität auch nicht neutral ist und es eben faktisch Gutes und faktisch Böses in der Welt gibt. Das muss auch als solches benannt werden. Die Hamas-Leute, die vor einigen Tagen in Israel eindrangen, sind keine Freiheitskämpfer, sondern schlicht und einfach brutale Schlächter und Terroristen.

Terroristen sind Terroristen nicht durch ihre Ziele, sondern durch die Mittel, mit denen sie dieses Ziel erreichen wollen. Die RAF-Leute waren nicht Terroristen, weil sie eine klassenlose sozialistische Gesellschaft wollten, sondern weil sie dafür andere Menschen umbrachten. Man kann davon überzeugt sein, dass die Palästinenser einen eigenen Staat haben müssen. Diese Überzeugung darf aber nicht rechtfertigen, Babys zu enthaupten, und einen solchen Wahnsinn als „legitime“ Reaktion auf vorher durch Israel erlittenes Unrecht herhalten. Derartiges ist keine legitime Kriegsführung, sondern schlicht und einfach tierisch, und muss auch so bewertet werden.

Die Hamas hat nicht das Ziel, zu einem Zusammenleben mit dem Staat Israel zu kommen. Sie hat das erklärte Ziel, den Staat Israel zu zerstören und alle Juden zu vernichten – nicht nur die Juden in Israel, sondern auf der ganzen Welt. Das, was jetzt passiert, ist das Resultat dieser Haltung, die keinen Kompromiss und keine Neutralität zulässt – weder im Umgang mit der Hamas, noch in der Bewertung dessen, was sie tut.

Der neutrale Beobachter ruft nach Verhandlungen, vergißt aber dabei, dass die Hamas gar nicht verhandeln will. Bereits in ihrer Gründungscharta steht drin, dass Verhandlungen reine Zeitverschwendung seien und es nur einen Krieg geben könnte: “Sogenannte Friedenslösungen und internationale Konferenzen“ stehen „im Widerspruch zu den Prinzipien der islamischen Widerstandsbewegung” (Art. 13). Es sei die Pflicht eines jeden Moslems, Juden zu töten (Art. 7). Den Weg des Kriegs zu verlassen, ist Hochverrat (Art. 32).

Wie soll man mit einer solchen Bewegung und einem solchen Hass umgehen? Neutral? Israel hat mehrere Male die Räumung nahezu sämtlicher palästinensischer Gebiete angeboten. Erfolglos. Weil es nicht nur um die palästinensischen Gebiete, sondern um die Vernichtung Israels geht.

“Wir wollen am Leben bleiben. Unsere Nachbarn wollen uns tot sehen. Das ist keine Frage, die viel Spielraum für Kompromisse lässt.
Golda Meir

Wir Deutsche und Europäer müssen in unserer Suche nach Ausgewogenheit und Neutralität erkennen lernen, dass es auch das gibt, das nicht neutral, sondern ohne Abstriche verurteilenswert ist. So wenig, wie die kritikwürdige Korruption in der Ukraine den Überfall durch Russland rechtfertigt, so wenig rechtfertigt die kritikwürdige Siedlungspolitik Israels das Abschlachten von Babys.


 

Antisemitismus

Der heutige Antisemitismus ist nicht nur das Problem von Muslimen, die sich für die Palästinenser einsetzen. Er ist tiefer und er greift tiefer, auch in unseren europäischen Gesellschaften. Er beginnt damit, dass Israel mit anderen Maßstäben als andere Länder be- und verurteilt wird, er setzt sich fort mit wilden Verschwörungstheorien über Juden wie Bill Gates (der als Jude bezeichnet wird, aber keiner ist) oder George Soros, er ist präsent, wenn Israel als koloniale Macht ohne Existenzberechtigung dargestellt wird.
Der Antisemitismus lebt fort, wenn mit unschuldigem Blick darauf verwiesen wird, dass es ja schon immer Probleme und Theater mit den Juden gab. Der Antisemitismus lebt fort, wenn Politiker eine Resolution gegen die Hamas ablehnen, weil keiner wissen könnte, wieviele Flüchtlinge aus dem Gaza-Streifen es gäbe. Der Antisemitismus lebt fort, wenn Bürgermeister sich weigern, in diesen Tagen die Israel-Fahne zu hissen, weil dies keine nationale, sondern eine internationale Angelegenheit sei, gleichzeitig aber seit Jahren die Flaggen der Ukraine wehen.

Der Antisemitismus ist präsenter als uns lieb sein kann, auch in Deutschland, nicht nur bei Muslimen.

Staatsräson?

All diese Faktoren, der auch bei uns in Europa präsente Antisemitismus, das Wegschauen und das Wegneutralisieren von Hass und Antisemitismus hat das begünstigt, was in diesen Tagen im Nahen Osten passiert. Diese Dinge sorgen dafür, dass die Hamas ihren Terrorkrieg gewinnen kann – weil die Öffentlichkeit zu großes Verständnis für ihre antijüdische Gewalt hat und weil Länder wie der Iran oder Katar weiterhin die Millionen in den Terror stecken können, die sie an den Europäern verdient haben.

Israel hat diese Massaker an seiner Bevölkerung als existentielle Bedrohung erkannt und wird entsprechend versuchen, das Kapitel Hamas ein für alle Mal zu beenden. Ob es damit Erfolg haben kann, ist fraglich. Ob es jemals Frieden im Nahen Osten geben wird, wird auch davon abhängen, wie wir Deutsche und Europäer zukünftig mit diesem Konflikt umgehen und wie weltoffen und tolerant wir gegenüber Hass und Antisemitismus bleiben.

In einer Woche wird man nur noch über die Brutalität Israels sprechen. Die Hamas folgt einem rationalen, grausamen Kalkül. Möglichst viele Israelis werden möglichst grausam ermordet, um einen möglichst harten Gegenschlag zu provozieren. Um sich dann selbst als Opfer inszenieren zu können. Die einen Bilder entstehen an einem Tag, die anderen werden über Wochen und Monate geliefert. Dieses Spiel wird so lange funktionieren, wie die Weltöffentlichkeit aufgrund dieser Bilder Verständnis für das Handeln der Hamas aufbringt. Was allerdings Ursache und Wirkung in verhängnisvoller Weise verdreht.

Der Bestand Israels gehört zur Staatsräson Deutschlands. Was das konkret bedeutet, weiß keiner. Die Tatsache, dass in diesen Tagen in verschiedenen Städten aus Sicherheitsgründen keine Pro-Israel-Kundgebungen stattfinden dürfen, der jüdische Fußballverein Makkabi Berlin seinen Betrieb aus Sicherheitsgründen einstellen muss oder viele Städte sich unter fadenscheinigen Gründen nicht trauen, eine Israel-Fahne zu hissen, und in Berlin der katarische Scheich und Hamas-Mäzen freundlich lächelnd empfangen wird, verheißt nichts Gutes.