Im Juli gab der SPD-Landespolitiker Phillip da Cunha aus Mecklenburg-Vorpommern ein Interview, das ihm auf einen Schlag zu trauriger Berühmtheit verhalf. Der Reporter will wissen, wie teuer eine gewisse Veranstaltung der Landtagsfraktion war. Eigentlich eine einfache Frage. Die der Politiker aber mit einer gewissen Beharrlichkeit nicht beantwortet. Fast vier Minuten versucht der Reporter, diese kurze Frage beantwortet zu bekommen. Es kommen Allgemeinplätze, es kommen Phrasen. Selbst als Reporter direkt fragt: „Wie teuer war es?“ „Beantworten Sie die Frage: ja oder nein?“ kommt neue heiße Luft. Schließlich bricht der Reporter entnervt ab.
Stay on the message
Vermutlich hat der Politiker nicht damit gerechnet, dass dieses Interview in voller Länge und brutaler Offenheit komplett im NDR gezeigt wird. Nun muss man sagen, dass dieses Interview ein sehr extremes Beispiel der Interviewtechnik unseres politischen Personals ist, aber nicht das einzige. Was dieser Mann dort tat, tun sie fast alle.
In den Medientrainings, die man Politikern und sonstigen Führungskräften angedeihen lässt, nennt man diese Technik: „Stay on the message“.
Es ist so: wenn Politiker oder sonstige Führungskräfte von einem Fernseh- oder Radiosender interviewt werden, dann ist eigentlich klar, dass sie nur mit wenigen Sekunden auftauchen. In diesen 10 oder 20 Sekunden muss ihre Botschaft drinstecken, die sie rüberbringen wollen, egal welche Frage kommt. Stay on the message heißt: stur bei dem bleiben, was man sagen will. Und dies im Vertrauen, dass der Sender natürlich diese Botschaft senden wird.
Insofern war dieses Interview keineswegs eine bizarre Zuspitzung, sondern das Zeigen einer Realität, die uns sonst verschwiegen wird, wenn wir Statements von Politikern hören, ohne die Fragen der Reporter überhaupt gesendet zu bekommen.
Die Medienschaffenden
Diese alltägliche Praxis wirft Fragen auf. Zum einen müssen sich die Fernseh- und Radiosender fragen, ob diese Form der Darstellung politischer Statements wirklich sinnvoll ist und ob man nicht besser über Alternativen nachdenken könnte. Zum Beispiel öfter mal solche Interviews komplett zeigen oder zumindest mit der Frage des Reporters.
Die Politiker
Die größere Frage stellt sich jedoch an die Politiker und Führungskräfte und an diejenigen, die sie für die Kommunikation in den Medien trainieren. Es mag ja sein, dass die „Stay on the message“-Technik kurzfristig erfolgreich ist: man ist mit seiner Botschaft in den Nachrichten. Aber langfristig?
Das Dumme ist nämlich: der Zuschauer kriegt ja durchaus mit, dass da viel heiße Luft produziert wird. Langfristig geht es um die Glaubwürdigkeit der Politik und um die Fähigkeit der Politiker, klare Botschaften zu senden.
Keiner braucht sich über die Politikermüdigkeit weiter Teile der Bevölkerung zu wundern. Die Politiker werden zumeist als nichtssagende Puppen wahrgenommen, denen es nur darum geht, möglichst geschickt ihre eigenen Schäfchen hinter hehren politischen Zielen zu verbergen. Auf Dauer nützt das keiner glaubwürdigen Politik und damit auch keiner Demokratie, sondern nur denjenigen, die eh behaupten, dass die Demokratie und die bisherigen demokratischen Parteien ein dummer Laberverein sind.
Den Politikern und ihren Beratern muss klarer sein, dass es nicht nur darum geht, klare Aussagen zu vermeiden, um nicht angreifbar zu sein, sondern auch um klare Botschaften und um klare Botschafter: um Authentizität. Besser einen Fehler zugeben als rumeiern. Besser eine klare Aussage, die nicht jedem passt, als gar keine Aussage.
Wir Konsumenten
Die bisherige Praxis solcher Statements ist aber auch eine Frage an uns alle, die wir die Medien konsumieren. Denn die Unsicherheit derjenigen, die in die Kamera nur heiße Luft geben, kommt ja daher, dass die Konsumenten gnadenlos sind und keinen Fehler verzeihen.
Einerseits beklagt man, dass es nur noch Abziehbilder und keine Originale gibt, und andererseits fällt man über jedes Original her, weil er aneckt.
Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt und dank Internet im Fall der Fälle millionenfach durchgenudelt. Etwas mehr Gelassenheit der Konsumenten könnte sicherlich auch vielen Interviewten die nötige Gelassenheit geben, konkret zu werden, auch wenn es mal schiefgeht.