Donald Trump ist seit einigen Wochen Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Insbesondere befreundete Nationen wurden in den letzten Wochen oftmals verprellt und vor den Kopf gestoßen von den erratisch wirkenden Entscheidungen Trumps:

  • Strafzölle gegen Canada, Mexiko, China und Europa werden angekündigt und wieder zurückgezogen.
  • Der Präsident der Ukraine wird im Oval Office vor der versammelten Presse verbal niedergemacht.
  • Bündniszusagen an die europäischen NATO-Partner werden in Frage gestellt.

Aufgrund der pathologisch narzisstischen Persönlichkeit von Donald Trump ist es schwer, genaue Voraussagen über sein weiteres Handeln zu treffen. Um die bisherigen Handlungen zu verstehen, ist jedoch ein Blick auf seine Verhandlungstaktik hilfreich, die er selbst sehr ausführlich 1987 in seinem Buch „The Art of the Deal“ beschrieben hat.

 

The Art of the Deal

Als Trump 2017 zum ersten Mal Präsident wurde, kaufte ich mir sein Buch „The Art of the Deal“. Dieses Buch lohnt auch jetzt wieder einen Blick, wenn man verstehen will, was da gerade im Oval Office des Weißen Hauses abläuft.

Vorneweg: dieses Buch ist eine schwer zu ertragende Mischung aus Eigenlob, Banalitäten und dumpfem Blödsinn. Aber es hilft, Trump und sein Handeln zu verstehen, sein Leadership, seine Art, zu regieren.

Im 2. Kapitel seines Buchs schildert er seine Verhandlungstaktik. Grundlage, so Trump, ist erst einmal der Wille, etwas Großes und das Optimale aus einer Sache herauszuholen:

„Ich setze mir hohe Ziele und versuche mit großer Beharrlichkeit, sie zu erreichen.“

Trump steigt immer hoch ein. Dabei kriegt er nicht immer alles, so gibt er zu, aber oft eben doch. Oder zumindest das Meiste. Dabei wirkt seine Verhandlungstaktik nach außen oft sehr chaotisch und willkürlich:

„Viele Menschen sind der Meinung, ich sei ein Hasardeur. In Wahrheit haben mir Glücksspiele noch nie zugesagt.“

Trump nimmt sehr genaue Marktanalysen vor, geht aber dann mit einer sehr großen Offenheit in die Verhandlungen, um möglichst viele Optionen zu haben:

„Ich schütze mich selbst, weil ich flexibel bin. … Ich ziehe es vor, mir am Anfang alle Möglichkeiten offen zu lassen.“

Bis dahin liest es sich ganz nett und wenig innovativ, aber dann kommen die Zeilen, die sämtliche Staatschefs der NATO, der Ukraine und Russlands gelesen haben sollten:

„Es ist wohl der schlimmste Fehler, den man begehen kann, wenn der Verhandlungspartner den Eindruck gewinnt, dass man um jeden Preis einen Geschäftsabschluss erzielen will. Er wittert dann sofort die Chance, Sie unter Druck zu setzen. Am besten ist es, aus einer Position der Stärke zu verhandeln. Diese Stärke ist Ihr größter Vorteil. Stark ist man, wenn man etwas besitzt, was der andere haben möchte … oder – was er braucht. Und optimal ist es, wenn er glaubt, ohne das, was Sie besitzen, nicht leben zu können.“

 

NATO und Ukraine: Sicherheit als Deal

Erst einmal ist es wichtig, alles, was in den letzten Wochen über die NATO und die Ukraine gesagt wurde, als Teil eines „Deals“ zu sehen, als Beginn von Verhandlungen. Die Verhandlungspartner dürfen nicht den Eindruck haben, dass Trump einen Abschluss erzielen will. Mit anderen Worten: es muss der Eindruck entstehen, dass es Trump egal ist.

J. D. Vance, Quelle: wikimedia.

Die Verhandlungen begannen damit, dass Vance in München auftrat und eine lange Rede hielt – in der es überhaupt nicht um Krieg, Sicherheit, Ukraine oder NATO ging. Das Signal: diese Dinge sind der US-Regierung egal. Die Verhandlungen sind eröffnet.

Dann muss die Position der Stärke erzeugt werden, indem man das besitzt, was der andere haben möchte. In diesem Fall: militärischen Schutz. Wie erzeugt man dieses Bedürfnis? Indem man andeutet, der NATO diesen Schutz zu entziehen. Und zugleich die Bedrohung hochfährt: Russland, das hier auch nur Mittel zum Zweck ist.

Hierzu muss die Ukraine dran glauben, damit die Drohung glaubwürdig wird. Nun beginnt ein doppeltes Spiel, denn Trump führt in dieser Sache zwei Verhandlungen: die eine mit den NATO-Ländern, die endlich selbst ihre Sicherheit in die Hand nehmen sollen bzw. die USA für ihre Sicherheit bezahlen sollen, und die andere Verhandlung läuft mit der Ukraine, auf deren Rohstoffe man es abgesehen hat.

In beiden Fällen wird Druck aufgebaut, bei der Ukraine ist er sogar in optimaler Weise möglich, denn sie braucht die Waffenlieferungen zum Überleben: „Und optimal ist es, wenn er glaubt, ohne das, was Sie besitzen, nicht leben zu können.“

Was heißt das?

Es bedeutet erst einmal, dass die Verhandlungen noch laufen und noch nichts beschlossen ist. Wenn Trump ankündigt, Europa oder die Ukraine alleine zu lassen, dann ist das keine Ankündigung, sondern Teil der Verhandlungen, um den maximalen Druck zu erzeugen.

Das bedeutet, dass sowohl Europa als auch die Ukraine weiterhin von den USA unterstützt werden – wenn sie denn das bezahlen oder geben, was Trump will. Und hier muss man brutalerweise sagen, dass Trump in der Tat aus einer Position der Stärke heraus verhandeln kann, weil er am längeren Hebel sitzt.

 

Dennoch haben die Europäer und die Ukraine dem etwas entgegenzusetzen. Sie haben Trump etwas zu bieten.

Was haben die Europäer zu bieten? Geld, für die USA bessere Handelskonditionen und Unterstützung gegen China.

Was hat die Ukraine zu bieten? Rohstoffe.

Trump ist auf diese Dinge scharf, denn sonst hätte er die Verhandlungen erst gar nicht begonnen und sich einfach aus Europa zurückgezogen. Gewissenbisse hätte er da keine.

Denn das muss den Verhandlungspartnern klar sein: das Schicksal Europas oder der Ukraine ist Trump völlig egal. Ihm geht es darum, für sich einen Vorteil zu erzielen. Alles andere ist zweitrangig. Maximal. Darüber kann man sich gerne beklagen, es wird gegen ihn nicht weiterhelfen.

Europäer und Ukrainer können Trump nicht mit Mitleid überzeugen. Sondern mit dem, was er haben will. Und darüber muss man verhandeln. Selbstbewusst und stark. Das Dumme ist und bleibt allerdings: durch die Abhängigkeit in der militärischen Sicherheit hat Trump einfach die besseren Karten – dank der europäischen Schläfrigkeit, die möglichst schnell abgestellt werden muss. Europa muss eigenständig für seine militärische Sicherheit sorgen können. Um selbst sicher zu sein und um nicht in Abhängigkeit von Leuten wie Trump zu geraten. Oder Putin.

Aufstieg und Fall des Narzissmus

Trotz allem Verhandlungsgeschick oder vielmehr: aller Verhandlungsdreistigkeit ist es sehr wahrscheinlich, dass Trump in absehbarer Zeit scheitern wird. Der Hauptgrund liegt in seiner narzisstischen Persönlichkeit, die verschiedene Auswirkungen hat, die für ihn sehr verhängnisvoll werden können.

D. Trump, Quelle: wikimedia.

An erster Stelle ist die Eitelkeit zu nennen.

Trump ist an Eitelkeit schwer zu überbieten. Komplimente, und seien sie noch so dumpf und plump, haben bei ihm oft Erfolg. Zudem ist er derart von sich überzeugt, dass er nie einen Fehler korrigieren oder eingestehen würde bzw. ihn nicht noch einmal sehen würde.

Trump entscheidet oft nach Sympathie oder Antipathie, nicht nach Fakten. Hieraus können sich Entscheidungen ergeben, die letztlich nicht mit den Fakten kompatibel sind. Letztlich gewinnen die Fakten aber immer. Wie man gerade an den Wirtschaftszahlen sehen kann.

Trump teilt die Welt in Gewinner und Verlierer ein, in Starke und Schwache.

Der Gewinner kriegt Geld, der Verlierer zahlt Geld, der Starke hat Macht, der Schwache nicht. Das Problem für Trump: weder die Welt noch die Wirtschaft funktionieren auf Dauer nach diesem Prinzip.

Nehmen wir die Wirtschaft: Handel lebt vom Austausch und beiderseitigem Gewinn. So entsteht Wohlstand. Handel funktioniert, wenn beide Seiten profitieren, nicht der eine klarer Sieger über den anderen ist. Damit kann man kurzfristig schnelle Gewinne machen, aber auf Dauer hilft das nicht, weil kein dauerhafter Handel zustande kommt.

Trump erhöht die Zölle, um Druck aufzubauen. Damit fährt er aber nur den gegenseitigen Handel runter und vernichtet faktisch Wohlstand. Und das vor allem in seinem eigenen Land. An den Börsen sind in den letzten Tagen hunderte Milliarden Dollar vernichtet worden, die Inflation steigt. Hieraus ergibt sich eine Mischung, die für Trump sehr schnell sehr gefährlich werden kann.

Auch politisch haut Trumps Weltbild nur kurzfristig hin. Er erzeugt Druck gegen Schwächere und die knicken nicht ein und erzeugen Gegendruck. Er beschimpft Zelensky und dessen Ansehen in der Ukraine steigt. Er hofiert Musk und dessen Verkaufszahlen brechen ein. Er will Kanada eingliedern und der kanadische Patriotismus schießt in die Höhe.

Trump kann diese Dinge nicht vorhersehen, weil sie seinem Weltbild völlig widersprechen: er wäre nie solidarisch mit Schwächeren, er hätte als Schwächerer nie den Mumm, Widerstand zu leisten.

Elon Musk, Quelle: wikimedia.

Trump wird scheitern, weil die Welt und die Politik schlichtweg nicht durch Deals lenkbar sind. Trump kam nach oben mit bestimmten Eigenschaften, die mit seiner narzisstischen Persönlichkeit zusammenhängen: sein Geltungsbedürfnis, seine Dreistigkeit, sein vermeintliches Selbstbewusstsein, seine von ihm selbst geglaubte Fehlerlosigkeit. Doch genau diese Eigenschaften werden Trump früher oder später scheitern lassen. Die Frage ist, wann und wie teuer und folgenschwer wird es bis dahin.

Trump wird scheitern, aber dieses Scheitern wird nicht alle Probleme lösen. Die politische und kulturelle Transformation der USA ist tiefer als Trump.

Im Schatten von Trump sind verschiedene konservative, christlich-fundamentalistische, rassistische oder auch technokratische Strömungen dabei, den Staat zu übernehmen und die Demokratie auszuhöhlen. Diese Gruppierungen sind sich untereinander alles andere als einig, stellen aber dennoch eine große Gefahr dar, die auch unabhängig von Trump bestehen wird.