Motivation
„Motivation“ ist eines der großen Schlagworte der Beratungsbranche. Die Unternehmen sind mehr denn je auf motivierte Mitarbeiter angewiesen. Entsprechend hoch ist der Bedarf, die Motivation der Mitarbeiter zu verbessern und entsprechend breit ist das Angebot, das von verschiedenen Motivationstrainern bereitgestellt wird.
Viele von diesen Motivationstrainern sind mehr als umstritten, und viele können dem Vorwurf pseudowissenschaftlicher Schaumschlägerei nicht viel entgegensetzen.
Als bekanntester und stilbildender Trainer im deutschsprachigen Raum gilt Jürgen Höller, der mit Büchern wie „Alles ist möglich“ und „Sprenge deine Grenzen“ den Markt stürmte. 2002 ging er jedoch insolvent und die Schar der Kritiker glaubte (und hoffte), dass die Zeit dieser Motivationstrainer vorbei sei und Führungskräfte nicht mehr über Scherben laufen oder auf Bäume klettern müssten. Leider zu früh gefreut: der Motivationsbranche geht es weiter gut, auch Jürgen Höller selbst vermeldet wieder glänzende Zahlen.
„Positives Denken“
Was steckt hinter dem Motivationstraining? Die geistigen Ursprünge dieses Trainings liegen in den Thesen des sog. „Positiven Denkens“ („positive thinking“), als dessen „Vater“ der irischstämmige Amerikaner Joseph Murphy (1898-1981) gilt. Die verschiedenen Vertreter des „Positiven Denkens“ gehen davon aus, dass es möglich ist, durch bestimmte Methoden das Unterbewusstsein des Menschen zu beeinflussen. Die Macht des Denkens kann nahezu alles bestimmen und einem erfolglosen Menschen auf die Erfolgsspur verhelfen. Selbst Krankheiten, so nicht wenige Vertreter des „Positiven Denkens“, sind durch die Macht des Denkens heilbar. Es gilt für den Menschen, das „falsche“ Denken durch das „richtige“ Denken zu ersetzen. Dies gelingt durch verschiedene Methoden, die häufig auf Autosuggestion und Hypnotherapie beruhen und die als wissenschaftlich zumindest fragwürdig gelten, wie etwa der Psychotherapeut Günter Scheich („Positives Denken macht krank?! Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen“) bereits 1997 überzeugend nachgewiesen hat.
Womit hängt dieser Boom zusammen? Warum zahlen hochdekorierte Manager viel Geld, um über Kohlen laufen zu können und damit „motiviert“ zu werden?
Folgende Voraussetzungen sorgen für volle Motivationsseminare:
- Es ist der große berufliche Stress, der nach einfachen Lösungen schreit.
- Es ist der Wille, die Fähigkeit zu erhalten, alle Probleme wirklich selbst in die Hand nehmen und regeln zu können.
- Und es ist schließlich der große Geldbeutel, über den diese Berufsgruppe verfügt und der sie in die Lage versetzt, viel Geld für mehrtätige Motivationsseminare auszugeben.
Entsprechend breit ist das Angebot der Motivationstrainer für Manager und Führungskräfte. In den absurd überteuerten Seminaren werden sie dann mit Phrasen überschüttet („Denke an den Erfolg!“ „Du kannst es!“), die es nicht bis zum nächsten Alltagsproblem schaffen.
Im Bereich der Managementschulung erzielen die Motivationstrainer seit Jahrzehnten große Buchungszahlen, weil sie das Grundbedürfnis nach schnellen Lösungen und nach Handhabbarkeit zu stillen scheinen. Sie suggerieren, dass man nur mit der Kraft der Gedanken letztlich alles erreichen kann, was grober Unfug ist. Entsprechend lässt sich auch das Problem der Motivation nicht lösen durch Sprüche und „auf-Kohlen-laufen“.
Unternehmensethik
Die Motivation eines Mitarbeiters oder einer Führungskraft ist nicht durch solche maximal kurzfristig wirksamen Motivationsseminare herzustellen, sondern hat viel tiefere Gründe, die langfristig in den Blick genommen werden müssen.
Für die Motivation entscheidend ist die Ethik eines Unternehmens.
Zuerst geht es um die Ethik des einzelnen Mitarbeiters. Jeder Mitarbeiter hat bestimmte Wertvorstellungen: ein Koch hat Freude am guten Essen, ein Schreiner arbeitet gerne mit Holz, der Sachbearbeiter im Sozialamt hilft gerne anderen Menschen.
Wenn der Mitarbeiter nun in seinem beruflichen Alltag diese Wertvorstellungen nicht ausleben kann, sinkt die Motivation. Nun kann sich nicht jeder Arbeitnehmer seinen Traumberuf erfüllen, aber selbst wenn er aus purer Hilflosigkeit oder aufgrund äußeren Drucks seine Arbeitsstelle angetreten hat, braucht er ein positives Momentum, um motiviert arbeiten zu können, und wenn es nur ein positives Betriebsklima ist oder das bloße Gefühl, wieder einer irgendwie sinnvollen Tätigkeit nachzugehen.
Hier fällt nun ein Stichwort, das nicht nur für den einzelnen Mitarbeiter gilt, sondern auch für die ganze Belegschaft und das Unternehmen selbst: Sinn.
Die Mitarbeiter müssen das Gefühl haben, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Nichts frustriert so sehr wie Sinnlosigkeit, und es ist die fundamentale Aufgabe eines Unternehmens, diesen Sinn zu vermitteln.
Von dieser Sinnfrage nicht zu trennen sind die ethischen Werte, die im Unternehmen gelebt werden.
Wie soll der Mitarbeiter motiviert zur Arbeit gehen, wenn er sich nicht als Mensch ernst genommen fühlt, sondern nur als laufende Nummer der Personalabteilung? Dieses Ernstnehmen als Mensch hat nicht nur zu tun mit Fragen der betrieblichen Mitbestimmung, sondern mit den tausend Kleinigkeiten des Alltags: Wie tritt eine Führungskraft einem Mitarbeiter gegenüber? Wie ist das Betriebsklima? Wie wird über Mitarbeiter im Unternehmen gesprochen?
Motivation durch Werte
Der Mitarbeiter ist motiviert, wenn er sich als Mensch ernst genommen fühlt und wenn die Werte, die im Unternehmen jeden Tag gelebt werden, mit seinen eigenen Werten und Vorstellungen kompatibel sind und er sich schlicht und einfach wohlfühlt.
Damit ist die Motivation eines Mitarbeiters keine Sache, die vom Himmel fällt und die man herbeizaubern könnte, sondern etwas, das bestimmte Ursachen hat, die erkannt und bearbeitet werden können.