Was denken die Leute über Philosophie? Was denken Sie spontan, wenn Sie das Wort „Philosophie“ hören?

Den einen kommt vielleicht ein weiser und bedeutungsvoll denkender älterer Mann mit weißem Bart in den Sinn, der grüblerisch unter einem Baum hockt und in den Himmel schaut. Anderen stellen sich unter Philosophen vielleicht kompliziert und verdreht denkende Menschen vor, die es schaffen, jede Diskussion zu sprengen und jedes normale Wort derart aufzublasen, bis es auch den letzten Funken an Sinn und Verständlichkeit verloren hat.

Es gibt viele Ideen, was Philosophie eigentlich ist – und es gibt viele Ideen über diejenigen, die sich darüber Gedanken machen.

Was denken die Leute über Philosophie?

Um nicht nur zu spekulieren, sondern auch eine gute empirische Basis zu haben, haben zwei tschechische Forscher, Vit Gvozdiak und Martin Zach, im Oktober 2024 mit einer Umfrageagentur über 1000 repräsentativ ausgesuchte Personen dazu befragt und kürzlich in einer Studie ein interessantes Ergebnis vorgelegt.

 

Zuerst ging es um die Frage, wie diese Personen selbst zur Philosophie stehen. Hier ist festzuhalten, dass die meisten Menschen die Philosophie nicht ablehnen, sondern positiv oder neutral sehen. Nur 8% der Befragten beurteilten die Philosophie als überflüssig und nutzlos.

Was hindert dann die meisten Menschen, Philosophie zu betreiben oder sich mit philosophischen Autoren zu beschäftigen?

36%: keine Information, wie man sie praktisch betreiben kann,

30%: kein Interesse,

26%: zu unklare und abstrakte Sprache,

13%: Arroganz oder elitäres Verhalten der Philosophen.

 

Im Ergebnis muss man sagen, dass die meisten Menschen der Philosophie ein positives Grundverständnis entgegenbringen, aber nicht einschätzen können, worin konkret der Nutzen der Philosophie liegt.

Was ist nun die Philosophie?

51%: eine akademisch-universitäre Disziplin,

34%: Tool für kritisches Denken,

32%: Hilfe, um besser und glücklicher zu leben,

18%: religiöse oder spirituelle Glaubenssätze.

 

 

Damit wird die Philosophie von etwa der Hälfte der Befragten nicht nur als Hobby angesehen, sondern als eine Profession, die man an der Universität erlernen kann.

 

Wo soll Philosophie unterrichtet werden?

28%: bereits in der Grundschule,

30%: an den weiterführenden Schulen,

25%: nur an den Universitäten,

17%: kein Platz im regulären Bildungswesen.

Hier ist ein sehr uneindeutiges Bild sichtbar. Die meisten würden Philosophie im Bildungswesen verankern, wo (und damit auch warum) ist nicht deutlich.

 

Was sollen Philosophen tun?

54%: Ratgeber für Sinnsuche und Lebensfragen

38%: Kritiker der Gesellschaft

30%: Wissenschaftler, die Daten analysieren

29%: Spirituelle Führer

 

Wo sollen Philosophen sich äußern?

45%: wie andere Experten auch in Fachmedien,

19%: in öffentlichen Auftritten.

 

Welche Einstellungen haben die Menschen gegenüber der Philosophie?

Anhand von 23 Fragen wurden vier verschiedene Gruppen identifiziert:

  • Formale Bewunderer (29%)
    Die Philosophie wird als akademische Disziplin respektiert und geachtet. Weiteres Interesse an der Philosophie besteht nicht. Die Philosophie hat außerhalb der Universität kein Gewicht.
  • Aktive Enthusiasten (18%)
    Diese Gruppe beschäftigt sich mit der Philosophie (Bücher, Vorträge usw.). Die Philosophie ist ein Instrument kritischen und analytischen Denkens und notwendig, um die gesellschaftlichen Herausforderungen zu bestehen.
  • Spirituelle Bewunderer (17%)
    Philosophie wird nicht als akademische Disziplin, sondern als Ratgeber gesehen, der dem eigenen Leben Sinn und Inspiration vermittelt. Philosophen sind spirituelle Führer.
  • Pragmatische Skeptiker (8%)
    Diese Gruppe betrachtet die Philosophie mit großem Argwohn: sie ist eine nutzlose Disziplin, die zu abstrakt ist und mit dem Leben und der Welt nichts zu tun hat.

Die übrigen 28% zeigen gemischte oder gleichgültige Einstellungen. Es gibt kein klares Interesse an der Philosophie und zumeist auch keine Idee darüber, was Philosophie ist.

 

Wann ist ein Text „philosophisch“?

Hier griffen die Forscher auf ein interessantes Verfahren zurück. Den Befragten wurden Auschnitte aus sechs verschiedenen Texten vorgelegt, und zwar:

Martin Heidegger (Sein und Zeit, Kontinentalphilosophie),
Hermann Hesse (Siddhartha, Literatur),
Don Miguel Ruiz (Die vier Abkommen – Strahler, Selbsthilfe/Spiritualität),
W. V. O. Quine (Zwei Dogmen des Empirikismus, analytische Sprachphilosophie),
Vét Punochá (Substrukturelles, Logik), philosophische Logik
und Samir Okasha (Krebs und die Ebenen der Selektion, Philosophie der Wissenschaft).

Autor und Titel wurden nicht genannt. Die Befragten sollten nun einschätzen, wie philosophisch der jeweilige Text ist. Das Ergebnis: Heidegger und Hesse waren am deutlichsten philosophisch, eher technische Autoren wie Quine oder Okasha galten als minder philosophisch. Hier das Ergebnis im Detail:

Diese Untersuchung ist so zu lesen, dass für die meisten Menschen Philosophie mit den existentiellen und grundsätzlichen Lebens- und Weltfragen zu tun hat, weniger mit technischen Analysen und wissenschaftlichen Konzepten. Diese Einschätzung ist interessanterweise völlig unabhängig davon, wie die Befragten selbst die Philosophie eingeschätzt haben.

Das heißt: unabhängig davon, ob sie selbst jetzt die Philosophie eigentlich als Wissenschaft oder als Lebensratgeber gesehen haben, haben sie die Texte eher als philosophisch beurteilt, die existentiellen Lebensfragen zu tun haben.

 

Fazit

Auch wenn diese Studie in Tschechien durchgeführt wurde, ist davon auszugehen, dass in Deutschland und anderen europäischen Ländern ähnliche Ergebnisse erzielt würden.

Diese Studie belegt folgende Erkenntnisse:

  • Die Philosophie als solche ist als akademische Disziplin anerkannt und hat ihren verdienten Platz im öffentlichen Bildungswesen.
  • Was genau die Philosophie allerdings ist und macht, ist eher unbekannt. Sie soll öffentlich wirksam sein, erfüllt diesen Anspruch aber zu wenig. Sie gilt vielen als sperrig und wenig zugänglich.
  • Die Philosophie soll praktische Relevanz für das Leben der Menschen haben und den Menschen in ganz existentiellen Lebensfragen helfen.

Die Hauptaufgabe, die sich für die Philosophinnen und Philosophen aus dieser Studie ergibt, liegt darin, stärker als bisher die Inhalte der Philosophie in die Gesellschaft hineinzuvermitteln. Stärker als bisher muss deutlich werden, was die Philosophie zum Leben der Menschen Positives beitragen kann.

Zugleich muss deutlicher und zugänglicher werden, was die Philosophie eigentlich ist und wie sie arbeitet.

Dies ist harte Arbeit und ist in erster Linie abhängig von der Haltung der Philosophen selbst. Natürlich muss in jeder Disziplin zwischen theoretischer Grundlagenforschung und praktischer Arbeit unterschieden werden.

Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass viele Philosophen nicht nur in einem akademischen Elfenbeinturm leben, sondern sogar das Leben außerhalb dieses Elfenbeinturms als nicht relevant ablehnen. Wenn ein Philosoph in der Lage ist, öffentlichkeitswirksam und verständlich zu reden, wird er von vielen Kollegen verachtet, weil er kein Niveau hat.

Die Folge: vielen gilt die Philosophie als diffuse und schwer verständliche Angelegenheit, die maximal für eine kleine Elite interessant ist. Hier müssen die Philosophinnen und Philosophen ansetzen. Es geht nicht darum, schwierige Dinge leicht und billig zu machen. Aber ein Bemühen um Verständlichkeit und ein grundsätzlicher Respekt vor der Welt der normalen Menschen wäre sehr hilfreich.

Die Philosophie kann sehr große praktische Relevanz besitzen. Sie lehrt kritisches Denken, sie lehrt, die Welt zu verarbeiten, in der man lebt und sie lehrt, sich und die Gesellschaft auf ihre ethischen und moralischen Grundlagen zu überprüfen und sich und der Gesellschaft Werte und Orientierung zu vermitteln.

Die Studie lehrt, dass die Menschen diese Elemente der Philosophie durchaus sehen und wertschätzen. Und danach verlangen, dass die Philosophie diese Dinge auch so einbringt, dass sie wirksam und verständlich sind. Nun ist es an der Philosophie, dies zu liefern.