Wir wissen alle: Der Kunde ist König! Nun ist das mit den Königen so eine Sache. Wir kennen das aus diversen Romanen und Kinofilmen: ein ganzer Hofstaat versucht die Entscheidungen des Königs zu beeinflussen und sich bei ihm in ein gutes Licht zu stellen. Ähnlich ist das auch mit dem Kunden.
Hierbei stellt einen der Kunde der digitalen Welt vor neue Herausforderungen, die man am besten einschätzen kann durch einen kurzen historischen Überblick.
Kunde 1.0
Der Kunde der vor- und frühindustriellen Zeit war relativ bescheiden und einfach zu handeln: man wusste, welche Bedürfnisse der Kunde hat und stellte Dinge her, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Man wusste, dass in dieser Stadt zu wenig Schreiner sind und viele Möbel gebraucht werden: also konnte man eine Schreinerei aufmachen und seine Möbel verkaufen.
Kunde 2.0
Die zweite Phase dreht das Verhältnis Unternehmen – Kunde um: entscheidend ist nicht mehr, ob der Kunde ein Produkt braucht, sondern ob das Unternehmen dem Kunden klarmachen kann, ob er das Produkt braucht. Heißt: es geht weniger um das Stillen, als vielmehr um das Wecken von Bedürfnissen.
Maßgebend hierfür ist der Beginn der modernen Werbeindustrie und hier der Amerikaner Edward Bernays (1891-1995). Er ist der Schöpfer des modernen Marketings und des modernen PR (vlg. dazu den Blog über Bernays). Seine Maxime: ein Bedürfnis für ein bestimmtes Produkt wecken und dann das Produkt als Lösung dieses Bedürfnisses verkaufen.
Also nicht Zigaretten direkt anpreisen, sondern Cowboys darstellen als Symbole der Freiheit mit einer Zigarette in der Hand. Und dann die Zigaretten verkaufen.
Also nicht Klaviere direkt verkaufen, sondern in die Kultur investieren und die Architekten der Umgebung davon überzeugen, für reichere Häuser Musikzimmer einzurichten.
Kunde 3.0
Der Kunde 3.0 funktioniert ähnlich wie der Kunde 2.0: das System wird durch die neue Computerisierung der Gesellschaft immer mehr verfeinert. Neu kommt hinzu, dass sich die Unternehmen immer intensiver um eine emotionale Bindung des Kunden bemühen und eine Stammkundenschaft aufzubauen. Das Stichwort „Kundenkarte“ dürfte als Hinweis genügen, eine Möglichkeit, die in der Vor-Computer-Zeit nicht möglich war.
Kunde 4.0
Das Internet hält Einzug und mit ihm die digitale Welt. Es kommt zu einer bedeutenden Veränderung im Verhältnis Unternehmen – Kunde: nicht mehr der Produzent ist entscheidend, sondern der Kunde, der über das Internet eine bis dahin nie gesehene Möglichkeit der Auswahl hat. Wenn ein Produkt gut ist, kann es von jetzt auf gleich die Weltmärkte stürmen, wenn es schlecht ist, kann es von jetzt auf gleich in der völligen Versenkung verschwinden. Hieraus ergibt sich eine große Macht, die der Kunde über die Unternehmen hat.
Auf den ersten Blick.
Hier gilt es genauer hinzuschauen. Natürlich hat der Kunde die Möglichkeit, auf einer unzählbaren Menge an Produkten auszuwählen, aber
- Tut der Kunde das? Der Kunde ist und bleibt ein Gewohnheitstier. Theoretisch ist richtig, dass ein Online-Unternehmen wie Facebook von heute auf morgen in die Bedeutungslosigkeit versetzt werden kann, wenn die Kunden alle von der Fahne gehen, aber passiert das? Natürlich wechselt der Kunde öfter als früher den Produzenten, dennoch bleibt er oft erst einmal dem treu, was er kennt.
- Wissen die Unternehmen sehr genau, dass ein Edward Bernays und sein Anliegen der Weckung von Bedürfnissen heute aktueller denn je ist. Entsprechend sorgt das Internet ja nicht für ein Ende der Werbeindustrie, sondern lässt die Grenzen zwischen Werbung und Realität immer mehr verschwimmen.
Herausforderungen
Für den Kunden 4.0 wird die Herausforderung immer größer, aus der unübersehbaren Fülle an Informationen die für ihn relevanten und hilfreichen Informationen herauszufiltern.
Für das Unternehmen wird die Herausforderung immer größer, eine emotionale Bindung zum Kunden herzustellen. Das schiere Wecken von Bedürfnissen wird aufgrund der unzählbaren Konkurrenz immer schwieriger.
Was in der Industrie 4.0 zählt, ist zum einen eine sehr präzise Kommunikation über das eigene Produkt, eine sehr genaue Analyse der Bedürfnisse, die das Produkt stillen soll, und der Kunden, die das Produkt kaufen sollen.
Fazit
Viele Autoren sprechen von einer großen Renaissance des „Der Kunde ist König“ in der digitalen Welt. Dies ist nur auf den ersten Blick richtig.
Der Kunde hat natürlich größere Möglichkeiten als früher, zwischen Produkten und Unternehmen auszuwählen. Diese größere Freiheit des Kunden führt aber logischerweise auch zu subtileren und umfangreicheren Versuchen der Unternehmen, den Kunden zu beeinflussen. Durch die Digitalisierung zählt mehr als früher: Kommunikation ist alles.
Der Kunde ist kein König, weil er mittlerweile alles selbst machen muss. Das Bestellen der Ware, das Ausfüllen, die Annahme von Paketen. Im Supermarkt muss er sich die Kästen selbst in den Einkaufswagen hiefen, die Pfandflaschen selbst in die Automaten schieben. Im Kaufhaus läuft er kilometerweit, um einen Verkäufer zu finden, der ihm zeigt, wo die gesuchte Ware ist. An den Theken und der Kasse unterhalten sich die Angestellten untereinander, sehen den Kunden nicht. Außer einem kurzen “Hallo” am Anfang und Schön’ Tag noch” beim Bezahlen hat der König nichts zu erwarten. Das Verkaufspersonal ist mürrisch und unfreundlich, weil sie unterbesetzt sind und schlecht bezahlt werden.
Das ist das Fazit meiner langjährigen Erfahrung.