Ein Philosoph als Herrscher: das müsste doch eigentlich eine gute Sache sein, ein weiser, nachdenklicher Mensch als Herrscher über ein Land. Nun reicht die Palette von Platon bis Heidegger: Philosophen, die sich in ihrer politischen Einstellung ziemlich vergaloppiert haben.

Aber es gibt auch ein positives Beispiel, den römischen Kaiser Marc Aurel, dessen philosophische Schrift „Selbstbetrachtungen“ bis heute auch bei Nichtphilosophen ein ausgesprochen beliebtes Werk ist.

Marc Aurel (127-180), Quelle: www.wikipedia.org

Kurz zur Biographie: Marc Aurel wurde 121 in Rom geboren. Das 2. Jahrhundert gilt bis heute als die Blütezeit des römischen Reiches. Das Interessante: die Kaiser vererbten ihren Titel nicht an ihre Söhne, sondern wählten fähige Leute aus, die sie adoptierten und zum Nachfolger bestimmten. Dass ausgerechnet der weise Marc Aurel als erster wieder seinen leiblichen Sohn Commodus zum Nachfolger bestimmte und mit diesem der Niedergang des Reiches einsetzte, ist hier natürlich nicht uninteressant.

Marc Aurel selbst wurde von Kaiser Antoninus Pius adoptiert und schließlich 161 dessen Nachfolger. Marc Aurel war in seiner Regierungszeit eigentlich um Frieden bemüht, zahlreiche Einfälle von Germanenvölkern zwangen ihn allerdings, die meiste Zeit im Feldlager zu verbringen, wo er auch 180 in der Nähe des heutigen Wien verstarb, vermutlich an der Pest.


Die Selbstbetrachtungen

Marc Aurel war ein sehr gebildeter Mensch. Seine Philosophie steht im Zeichen der Stoa, einer sehr bedeutenden philosophischen Richtung, die – ganz grob gesprochen – darum bemüht ist, dem Menschen eine Grundhaltung zu geben, die in der Lage ist, dem Unbillen des Alltags mit großer Gelassenheit und Ruhe zu begegnen.

In dieser Tradition steht auch Marc Aurel und in dieser Tradition hat er in seinem letzten Lebensjahrzehnt die „Selbstbetrachtungen“ verfasst. Dieses Werk ist im Wesentlichen eine Sammlung kurzer Texte und Sinnsprüche.

Die Stoa in Athen, Quelle: www.wikipedia.org

Diese Sprüche atmen eine gewisse bedächtige Lebensweisheit. Die Welt kann sich nur wenig oder gar nicht ändern. Also lebe so, dass du damit klarkommst. Dieses „Klarkommen“ ist jetzt nicht abschätzig gemeint, sondern die hohe Kunst der Stoa: wie muss ich leben (und regieren!), damit ich in dieser Welt klarkomme?

Hier gibt der Stoiker Marc Aurel wichtige Hilfen, die sicherlich auch für heutige Menschen nicht ohne Wert sind:

  • Beschränkung auf das, was man kann und soll: „Beschränke Deine Tätigkeit auf weniges, wenn du in deinem Inneren ruhig sein willst. Frage dich also bei jeglicher Sache: Gehört diese etwa zu den unnötigen Dingen?“
  • Vernünftiges Handeln: „Nichts trägt nämlich so sehr dazu bei, innere Überlegenheit zu erzeugen, wie die Fähigkeit, methodisch konsequent und wirklichkeitsgerecht jeden im Leben vorkommenden Sachverhalt zu durchleuchten.“
  • Ethische Grundhaltung: „Was ist es also, worauf wir unsere ganze Sorge lenken müssen? Nur das eine: eine gerechte Sinnesart, gemeinnütziges Handeln, beständige Wahrheit im Reden.“

Auf vielen Seiten entfaltet Marc Aurel das stoische Denken der Antike. Dabei ist er keiner, der jetzt inhaltlich neue Akzente gesetzt hätte. Aber er fasst das stoische Denken sehr gut zusammen, und indem er dies als Herrscher tut und in der Selbstreflexion auch für andere Herrscher, sind die „Selbstbetrachtungen“ ein kleines Büchlein, das auch für heutige Menschen mit Führungsverantwortung gut geeignet ist.


Fazit

Marc-Aurel-Statue auf dem Kapitol in Rom, Quelle: www.wikipedia.org

Auch dank Marc Aurel ist die Stoa die zur Zeit „angesagteste“ Philosophie der Antike. Was mehr über unsere Zeit verrät als über die Antike. Die heutige Zeit ist sicherlich sehr stark durch eine hektische Betriebsamkeit geprägt, nicht erst durch die Digitalisierung, die diesen Prozess aber weiter verschärft.

Gerade in einer Zeit, in der es auf Tempo und Geschwindigkeit ankommt, bietet die stoische Philosophie einen Ruhepol, die klare und verstehbare Rezepte bietet, mit der Hektik der Welt klarzukommen, sich nicht von allem verrückt machen zu lassen, sondern einen klaren Kopf zu behalten.

Je hektischer die Zeit, desto stärker die Suche nach Ruhe bzw. Fokussierung auf die Sachen, die wirklich zählen, und hier bieten die „Selbstbetrachtungen“ des Marc Aurel eine sehr gutes Material, das leicht zugänglich ist und aus dem man sehr schnell persönlichen Gewinn ziehen kann.

 

Literaturempfehlungen:

Holiday, Ryan: Der tägliche Stoiker. 336 nachdenkliche Betrachtungen über Weisheit, Beharrlichkeit und Lebensstil.

Marc Aurel: Selbstbetrachtungen.

Pigliucci, Massimo: Die Weisheit der Stoiker. Ein philosophischer Leitfaden für stürmische Zeiten.