Wenn man eine Sache verstehen will, ist es oft hilfreich, auf ihren Ursprung zu blicken: warum etwas entstanden ist, das verrät oft unglaublich viel über die Sache selbst.
Das gilt auch für die Branche der Unternehmensberatungen. Es gibt sie seit etwas über 100 Jahren. Warum entstand sie? Wie entwickelte sie sich seitdem? Welche roten Fäden tauchen in der Geschichte dieser Branche aus? Was verrät die Geschichte der Unternehmensberatungen über die Zukunft dieser Branche?
Eine neue Wirtschaftsform
Zu Beginn der Moderne (ab dem 17. Jahrhundert) war in weiten Europas eine neue Art der Arbeit und des Wirtschaftens entstanden. Die Ursachen dafür sind vielschichtig und sicherlich nicht nur in der in der protestantisch-calvinistischen Ethik zu suchen (schöne Grüße an Max Weber), sondern erst einmal
– in einem von größerer Individualität getragenen Menschenbild, das sich dann in der Reformation ausdrückte,
– aber eben auch in dem Willen, den Menschen zusehends religions- und staatsunabhängig zu denken, was zu den liberalen Ethiken eines Thomas Hobbes und John Locke, aber auch zu neuen Theorien über Wohlstand und Handel eines Adam Smith führte.
Eine neue Wirtschaftsform setzte sich durch, die von einem großen wissenschaftlichen Fortschritt und neuer wirtschaftlich-unternehmerischer Freiheit getragen war und die Schritt für Schritt zur Industriellen Revolution und zu einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung führte. Nach und nach wurden traditionelle Handwerksbetriebe und Manufakturen durch die neuen Fabriken verdrängt.
Die Erfindung des Managements
In diesen neuen Unternehmen stellten sich nun Schwierigkeiten ein, die es bis dahin nicht gegeben hatte. Zwar gab es auch vorindustrielle Organisationen, die große Belegschaften hatten (staatl. Bürokratie, Militär, Kirche), dennoch verfügten (und verfügen!) diese über andere Mechanismen, die ihnen Struktur und Funktionalität gaben.
Demgegenüber mussten sich die neuen Unternehmen nun folgenden Themen stellen:
- Gewinnorientierung
- Große Mitarbeiterschaft: Rekrutierung, Ausbildung, Effektivität, Motivation
- Freie, volatile Märkte
- Innovationen und Innovationsdrang
- Wissensmanagement
Das zentrale Stichwort ist die Effektivität: die genannten Faktoren müssen im Sinne der Effektivität beherrscht werden. Diese Beherrschung setzt eine neue Form wirtschaftlicher Rationalität voraus, die von den Unternehmern bewältigt werden musste.
Die immer größeren Betriebe konnten nicht mehr vom Eigentümer alleine geleitet werden. Einer einzigen Person war es unmöglich, die steigenden Anforderungen zu erfüllen und die wachsende Komplexität in den Griff zu kriegen. Es brauchte neue Personen, an die der Eigentümer Leitungsaufgaben delegieren konnte.
Diese Personen waren die ersten Manager modernen Zuschlags, die nicht Eigentümer des Unternehmens waren, sondern für die Leitung des Unternehmens bezahlt wurden. Hieraus ergaben sich – neben den oben genannten Faktoren – neue Schwierigkeiten, welche die Delegation von Verantwortung und das Funktionieren von Entscheidungsstrukturen betrafen.
Die sog. „Physiokraten“ wie François Quesnay oder auch Adam Smith hatten die Figur des Unternehmers bzw. Managers mit seinen neuen Aufgaben durchaus im Blick, maßen ihm aber keine entscheidende Bedeutung bei. Autoren wie Jean Baptiste Say („Traité d’économie politique“, 1803) oder Charles Babbage („On the Economy of Machinery and Manufactures“, 1832) waren es schließlich, welche die Bedeutung des Managements für die industrialisierte Wirtschaft erkannten und bei denen sich Anfänge einer neuen “Managementlehre” finden.
Die erste Unternehmensberatung
Auch wenn die Industrielle Revolution in Großbritannien ihren Ursprung hatte, waren es die USA, die im Laufe des 19. Jahrhunderts zur bedeutendsten Wirtschaftsmacht wurden. Insbesondere in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte die US-Wirtschaft eine ungeheure Dynamik, angetrieben durch neue Technologien, Rohstoffreichtum und einen nicht versiegenden Strom an neuen Arbeitern durch die europäische Zuwanderung.
Die Wirtschaft der USA mit ihren neuen gigantischen Unternehmen wurde damit auch zum wichtigsten Schauplatz betriebswirtschaftlicher Fragestellungen, insbesondere der Managementlehre. Ansätze zu einer solchen Lehre hatte es bereits in Europa gegeben. Diese wurden nun professionalisiert, indem sie mit den aktuellen ökonomischen Erfahrungen abgeglichen, diskutiert und erweitert wurden.
Mit dieser Entstehung einer professionellen Managementlehre entstand nun auch eine Branche, die diese Lehre an die Unternehmen weitergab: die Unternehmensberatung. Die Entstehung des modernen Managements und das neue Nachdenken darüber, was Management eigentlicht ist und wie es funktioniert, schuf den Bedarf dafür, diese Erkenntnisse an die Unternehmen zu vermitteln. Die historisch erste Unternehmensberatung wurde von Arthur D. Little 1886 in Boston gegründet, die sich allerdings erst einmal auf die Beratung technologischer Fragen beschränkte. Doch der Anfang war gemacht: eine neue Branche war geboren.
Literaturempfehlungen:
Pollard, Sidney: The Genesis of Modern Management.
Wren, Daniel E.: The Evolution of Management Thought.
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