Die Sprache ist ein zentrales Werkzeug der Macht, das von der Kirche zwar immer erfolgloser, aber sehr bewusst und ausgearbeitet eingesetzt wird. Prinzipiell ist die Sprache der Kirche sehr wohlwollend, sehr zugewandt, sehr fromm. Man darf sich nicht davon blenden lassen. Es ist eine fromme Sauce, die einem Zweck dient: eine Zugewandtheit und Offenheit zu simulieren, die inhaltlich nicht vorhanden ist. Diese frommen Sätze sind jahrzehntelang eingeübte Techniken, den Menschen Beteiligung zu simulieren und jede Auseinandersetzung zu ersticken. Denn das Resultat einer Auseinandersetzung kann Veränderung sein. Und Veränderungen bedeuten immer Verschiebungen der Macht. Die es nicht geben darf. Der „Leopard“ hatte ja gelehrt: Alles muss sich ändern. Aber nur, damit alles bleibt, wie es ist.

Macht?

Wie arbeitet die kirchliche Sprache? Wenn jemand gegenüber der Kirche etwas fordert, dann wird er mit einem leicht entsetzten Zucken zu hören kriegen, dass es ihm anscheinend um Macht gehen würde. Aber Macht dürfe doch in der Kirche keine Kategorie sein!Zum einen ist allerdings auch die Kirche kein machtfreier Raum, und zum anderen ist dieses Argument zynisch, wenn es von denen gebraucht wird, die die Macht haben und nicht abgeben wollen.

Die Kirche spricht nicht von Macht, sondern vom Dienen. Manchmal meint sie damit den Dienst am Menschen. Wenn dieser allerdings konkret wird und eingefordert wird, dann ist nur noch vom gemeinsamen Dienst für Gott die Rede. Es wird zum Gespräch eingeladen, aber nicht miteinander gesprochen. Das ist eigentlich sehr geschickt: man verweist auf das gemeinsame spirituelle Fundament. Die Forderungen an die Kirche werden als fürbittendes Gebet im Gottesdienst vor dem Altar niedergelegt. Erstaunlicherweise antwortet Gott nicht sofort und trifft auch keine direkten Entscheidungen. Die Menschen haben immer wieder das Gefühl, sich aussprechen zu können, ihnen wird zugehört, sie dürfen sagen, was sie sich für sich und die Kirche wünschen. Doch das, was sie sagen, prallt entweder ab vom mitfühlend lächelnden Gesicht eines Bischofs („Wir wollen zuhören!“) oder wird als aufgeschriebenes Gebet vor dem Altar verbrannt. Alles muss sich ändern. Damit alles bleibt, wie es ist.

Auf dem Weg

Gerade in solchen Veranstaltungen oder Gottesdiensten spricht die Kirche von einem „Weg“, den man „miteinander gehen“ muss, man ist „gemeinsam unterwegs“. Dieser Bilder klingen toll, sind aber manipulativ. Was passiert, wenn man auf dem Weg ist? Man hält nicht an, um eine Entscheidung zu treffen. Da sind Leute – Jugendliche oder Erwachsene –, die Veränderungen wollen, Entscheidungen, etwas Neues und Anderes zu tun. Denen wird immer gesagt: Wir machen uns jetzt gemeinsam auf den Weg! Wir entscheiden jetzt nicht, wir gucken mal zusammen weiter und entscheiden irgendwann. Also nie. Natürlich klingt das toll, wenn man hört, dass man gemeinsam auf den Weg ist. Weil es suggeriert, dass man in Bewegung ist, dass eine Veränderung stattfindet. Nur kann man eben gemeinsam spazieren gehen, ohne dass sich deshalb die Spaziergänger ändern. Alles muss sich ändern. Damit alles bleibt, wie es ist.

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Der gute Hirte

Die Kirche spricht gerne vom Hirten und der Herde. Dieses Bild stammt aus der Bibel, es wird sowohl im Alten als auch im Neuen Testament oft gebraucht. Nun gibt es viele Metaphern, die in der Bibel das Verhältnis zwischen Gott und Mensch beschreiben. Bezeichnenderweise nutzt die Kirche am liebsten das vom Hirten und den Schafen. Hierbei beruft sie sich gerne auf die Beauftragung des Petrus durch Jesus: „Weide meine Schafe!“ Neben der Frage der Historizität dieses 70 Jahre nach dem Tod Jesu im Johannesevangelium überlieferten Zitats stellt sich auch die Frage, inwiefern aus einer Aufforderung an Petrus der Anspruch eines jeden katholischen Klerikers 2000 Jahre später abgeleitet werden kann, ein Hirte (lat. „pastor“) zu sein und über die gläubigen Schafe zu wachen. Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob man eine Metapher nicht etwas überstrapaziert, wenn man aus ihr politische Machtverhältnisse ableitet. Aber vielleicht könnte man selbst aus dieser Metapher ein politisches Gegenteil begründen, wenn man daran denkt, wie Jesus von einem Hirten erzählt, der verzweifelt sein Schaf sucht. Da läuft nicht das Schaf dem Hirten hinterher, sondern umgekehrt.

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Was hier stattfindet, ist ein Missbrauch von Spiritualität, die zur Begründung der hierarchischen Struktur herangezogen wird. Jede Kritik an der Struktur ist eigentlich unmöglich, weil es gleichzeitig eine spirituelle Kritik an Gott ist. Wer die Struktur kritisiert, hat seine Rolle als Schaf noch nicht verinnerlicht und soll an seiner Demut und Bescheidenheit arbeiten. Gleichzeitig werden Veränderungen an der Struktur durch die Spiritualisierung unmöglich gemacht. Nicht nur, weil die Wünsche der Gläubigen zu Fürbitten werden, die im Gottesdienst verbrannt werden: die spirituelle Ebene kann schlicht und einfach keine strukturellen Probleme lösen. Es sind eben zwei verschiedene Ebenen, die nicht miteinander vermischt werden dürfen.

Es gibt ein strukturelles Problem, zum Beispiel das Problem, das die Kirche Missbrauchstäter schützt. Ist der Gottesdienst der Ort für dieses Problem? Ist das ein spirituelles Problem? Kann man dieses Problem durch Beten lösen? Dieses Problem kann nur strukturell gelöst werden, indem die Strukturen so verändert werden, dass Missbrauchstäter nicht mehr geschützt werden. Das passiert durch Regeln, Gesetze und neue Amtsstrukturen, aber nicht durch Gebete. Indem die Diskussionen über Veränderungen auf eine spirituelle Ebene gehoben werden, werden sie auf eine Ebene geschoben, wo sie effektiv nichts bewirken können, sondern in der frommen Sauce ersticken. Sprache kann nicht nur aufklären, Sprache kann in noch viel größerem Ausmaß verwirren und verzerren. Und genau das tut die kirchliche Sprache äußerst kunstvoll, wenn sie eingesetzt wird, um zu vernebeln, und auf diese Weise jede Art von Diskussion und damit von Entwicklung verhindert wird.

Ablenkung

Dabei erweist sich die Kirche in der Gesprächsführung als überaus geschickt, um nicht zu sagen: gerissen. Nehmen wir als Beispiel die Frage, wie denn das Priestertum der Zukunft aussehen soll. Dann kann es passieren – wie es beim „Synodalen Weg“ passierte –, dass die „Diskussionsteilnehmer“ vorab verschiedene Beiträge über den Zölibat erhalten, die sie für die Diskussion durchlesen sollen.
Das sieht auf den ersten Blick sinnvoll aus, lenkt die spätere Diskussion aber in die falsche Richtung: es kommt zu endlosen Diskussionen über Vor- und Nachteile des Zölibats, die im Nichts enden. Der Trick besteht darin, eine Diskussion über Details zu initiieren, um das große Thema nicht bearbeiten zu müssen. In besagtem Fall ging es ja gar nicht um den Zölibat. Sondern eigentlich um das Priestertum und dann um die Frage, ob der Zölibat dazugehören muss. Das ist eine andere Frage, als über den Zölibat selbst zu diskutieren.

Das ist genauso, als wenn um 1890 – in der Zeit der Erfindung des Automobils – die Frage diskutiert worden wäre, welche Vor- und Nachteile Kutschen haben. Die Frage in diesem Augenblick war nicht diejenige, warum es gut oder schlecht ist, Kutschen zu haben, sondern wie die Mobilität der Zukunft aussieht und ob Kutschen noch dazugehören. Ähnlich fruchtlos ist eine Debatte über den Zölibat, wenn es um das Priestertum geht. Der Zölibat kann ja sinnvoll sein. Die Frage ist eben nur, ob er deshalb für jeden Priester verpflichtend sein muss, was eine andere Frage ist.

Ähnlich verhält es sich mit der Debatte um das Frauenpriestertum. Wenn die zu sehr auflodert, stellt der Papst oder ein Kardinal fest, dass das Empfangende zu den Wesenseigenschaften der Frau gehört und es damit ihrer Natur widerspricht, wenn sie sich davon löst. Was es ihr unmöglich macht, ein kirchliches Amt zu übernehmen, das Männern vorbehalten ist.

Die Folge: es bricht eine riesige Diskussion aus, welche Eigenschaften eine Frau hat und ob das Empfangende nun die Frau definiert oder nicht. Diese Diskussion kann nur ohne eindeutiges Ergebnis enden. In Bezug auf die Amtsfrage in der Kirche ist die Frage der Eigenschaften eines Geschlechts jedoch völlig ohne Belang. Selbst wenn das Empfangende das Wesen der Frau wäre: inwiefern soll das die Übernahme eines kirchlichen Amtes behindern? Gehört das Empfangende nicht zum kirchlichen Amt? Wieder einmal wird eine Frage vorgelegt, die keiner beantworten kann, um die Fragen zu verhindern, die man beantworten könnte.

Kommunikation als Sackgasse

Die Kirche war und ist sehr geschickt darin, anstehende Diskussionen zu verschleppen, in gewollte Sackgassen zu führen oder in frommer Sauce zu ertränken. Je nach Bedarf. Für dieses nicht enden wollende Schauspiel braucht es zwei Seiten. Die eine Seite, die es betreibt, und die andere Seite, die es erduldet.

Auch über die muss gesprochen werden. Ich konnte nie begreifen, mit welcher Geduld die Menschen, die normalen Gläubigen, die „Laien“, diese Spielchen mitmachen. Seit Jahrzehnten liegen die Forderungen auf dem Tisch: Aufhebung des Zölibats, Minderung des römischen Zentralismus, freiere Sexuallehre, stärkere Rolle der Frau usw. Diese Forderungen liegen seit Jahrzehnten auf dem Tisch und trotzdem marschieren die Menschen zu allen möglichen synodalen Prozessen und machen sich mit den Amtsträgern „gemeinsam auf den Weg“, seit Jahrzehnten vertröstet durch ein seelsorgliches.

Spätestens wenn dann der Hinweis kommt, dass man jetzt „genau hinhören“ wolle, ist klar, dass vor dem Jüngsten Gericht überhaupt nichts passieren wird. Keiner muss mehr „genau hinhören“, weil nach 60 Jahren Diskussion einfach alles gesagt ist und auf dem Tisch liegt. Es ist nichts anderes als Andreottis „Die Macht verschleißt den, der sie nicht hat“, das hier zum Tragen kommt.