1. Ein Philosoph und ehemaliger Priester wird Unternehmensberater. Das ist doch recht ungewöhnlich. Wie geht das denn?

Ungewöhnlich vielleicht. Für mich ist es die konsequente Fortsetzung dessen, was ich bisher getan habe. Ich war 15 Jahre lang katholischer Priester, bis ich mich entschieden habe zu heiraten. Neben der Tätigkeit in den Kirchengemeinden war ich in der Wissenschaft tätig, an der Ruhr-Universität Bochum und an der KU Eichstätt-Ingolstadt, zuletzt als Professor für Philosophie. Diese Zweiteilung von praktischer und theoretischer Arbeit habe ich immer als sehr wohltuend empfunden – für beide Felder. Ich glaube, man kann nicht gut praktisch arbeiten ohne theoretische Kenntnisse, aber es ist auch nicht gut, in der blanken Theorie zu versinken ohne Anbindung an die Praxis.

“Ich glaube, man kann nicht gut praktisch arbeiten ohne theoretische Kenntnisse, aber es ist auch nicht gut, in der blanken Theorie zu versinken ohne Anbindung an die Praxis.”

Die Beratung von Unternehmen und Organisationen ist für mich eine interessante Fortsetzung dieser Zweiteilung: zum einen ist es die praktische Arbeit mit Menschen, in unterschiedlichen Funktionen, an unterschiedlichen Orten. Zum anderen ist es die Theorie. Ich werde weiter wissenschaftlich arbeiten und diese theoretischen Kenntnisse in die praktische Arbeit einbringen. Ich finde es einfach sehr reizvoll, Theorie und Praxis immer zusammen zu sehen, wie diese beiden Bereiche sich gegenseitig beeinflussen. Vor diesem Hintergrund drängt sich mir die Beratung von Unternehmen und Organisationen geradezu auf.

 



2. Wie muss man sich dieses Zusammen von praktischer Beratung und theoretischer Wissenschaft genau vorstellen?

Die akademisch-wissenschaftliche Philosophie ist das, was ich als Berater meinen Kunden anbiete. Die Philosophie hat Methoden erarbeitet: Methoden zu denken, Methoden zu analysieren, Methoden, Sachverhalte in Sprache zu bringen. Philosophie ist nicht das Bücherlesen über Dinge, die keinen Normalsterblichen interessieren, sondern ist der rationale und methodische Umgang mit der Realität. Diesen methodischen Umgang biete ich an.

 

3. Nun ist es ja so, dass man sich unter dem Wort „Philosophie“ viel vorstellen kann. Was meinen Sie, wenn Sie sagen, Philosophie sei eine Methode?

Ja, in der Tat ist das Wort „Philosophie“ etwas schwammig. Ich selbst denke da sehr systematisch und auch sehr historisch. Ich habe mich an der Universität jahrelang mit dem Ursprung der Philosophie vor 2.500 Jahren beschäftigt. Mich hat immer interessiert: was ist eigentlich Philosophie und warum und wie ging das eigentlich damals los? Dass die Philosophie damals begann, war nicht zufällig, sondern hing mit bestimmten Faktoren zusammen. Diese Faktoren machten die Philosophie zur Methodik des Denkens.
Als ich mich jetzt in den letzten Monaten damit beschäftigte, wie man die akademische Philosophie für die Praxis nutzbar machen kann, dachte ich mir: wieso nimmt man sich nicht diese einzelnen Faktoren und macht daraus ein Angebot für die Beratung? Diese Faktoren sind einzelne methodische Schritte dahin, wie logisches und rationales Denken entstanden sind. Zu diesen Schritten gehören Dinge wie Staunen, Kritik, aber auch Abstraktion oder Logik.

“Rationales Denken beruht nicht auf Zufällen.”

Das philosophische Denken hat diese Schritte vollzogen und wurde so zum rationalen und methodischen Denken. Solches Denken ist für jede Art von Unternehmen und Organisationen wichtig. Ich biete an, Schritt für Schritt diesen alten Weg des Denkens neu zu gehen, und auf diese Weise die eigene unternehmerische Situation klarer und rationaler denken zu können. Rationales Denken beruht nicht auf Zufällen, sondern hängt von bestimmten Faktoren ab, und ist somit Arbeit. Und diese Arbeit will ich mit Unternehmen und Organisationen leisten.

 

4. Das, was Sie anbieten, ist schon ein sehr ungewöhnliches Produkt. Welche Unternehmen werden sich dafür interessieren?

Das Angebot zielt auf Unternehmen, die ihre Situation überdenken wollen. Dies betrifft zum einen Unternehmen, die vor wichtigen Veränderungen stehen und sich vorher noch einmal Gedanken darüber machen wollen, was eigentlich ansteht und wie es weitergehen kann. Mein Angebot zielt auf eine Lücke zwischen zwei Dingen: auf der einen Seite dem diffusen Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt und sich was ändern muss, und auf der anderen Seite der konkreten Umsetzung von Veränderungen. In dem Raum zwischen diesen beiden Phasen ist es wichtig, zu denken. Und dabei will ich methodisch helfen.

“Das Angebot zielt auf Unternehmen, die ihre Situation überdenken wollen.”

Zum anderen geht es um Unternehmen, die über ihre eigene Unternehmensphilosophie nachdenken wollen. Warum gibt es überhaupt unser Unternehmen? Wofür soll unser Unternehmen stehen? Welche Werte sind in unserem Unternehmen wichtig? Welche sollten wichtiger werden? Was können wir tun, um unsere Unternehmenskultur zu verändern? Hier bewegen wir uns in einem klassischen philosophischen Gebiet, das für viele Unternehmen sehr wichtig ist.

 


5. Welche konkreten Dienstleistungen ergeben sich daraus für die Unternehmen?

Das ist sehr unterschiedlich und hängt von den Wünschen und Bedürfnissen des Unternehmens ab. Im Zentrum steht sicherlich die Arbeit mit Führungskräften in der Form von Workshops, in denen es darum geht, das methodische Denken der Philosophie zu vermitteln und auf die unternehmerische Situation anzuwenden. Je nach Auftrag und Wunsch nach Tiefe der Analyse können auch andere thematische Einheiten den Workshops vorangehen oder die Workshops begleiten. Ein wichtiges inhaltliches Feld wird auch der Umgang mit der Sprache darstellen: hier gibt es Angebote betreffs der Unternehmenskommunikation, aber auch das Angebot, rhetorisch tätig zu werden, sei es in der Vermittlung rhetorischer Kenntnisse oder selbst als Redner.

 

6. Nun haben Sie ja als ehemaliger katholischer Priester eine durchaus spannende Biographie hinter sich. Wie sehen Sie Ihre Rolle als ehemaliger Priester?

Erst einmal ist für mich klar, dass ich kein Priester mehr bin. Diese 15 Jahre bereue ich nicht, aber sie sind vorbei. Aber natürlich ist dies ein Beruf, in dem man viele Erfahrungen macht, von denen ich auch in der Beratungsbranche profitieren werde. Ich habe in dieser Zeit Menschen in wirklich jeder erdenklichen Lebenssituation kennengelernt, von Eltern, die vor Glück fast platzen über die Geburt ihres Kindes, bis hin zu Sterbenden, die den Tod auf sich zukommen sehen. Menschliches Leben hat unglaublich viele Facetten. Von denen durfte ich viele kennenlernen und das werde ich natürlich als Berater einbringen können.

 

7. Wie geht es konkret weiter? Was passiert in den nächsten Monaten?

Das werden sehr spannende Monate. Ich werde erste Angebote sondieren und das Netzwerk weiter ausbauen. Es gibt auch mehrere Anfragen interessanter Kooperationspartner im Beratungsbereich. Da werde ich jetzt schauen, wo da was geht und sinnvoll ist. Zum anderen arbeite ich gerade an mehreren Büchern, besonders an einem Buch, in dem es darum geht, wie eigentlich wissenschaftliche Philosophie im beraterischen Kontext eingesetzt werden kann. Es werden spannende Monate und ich freue mich darauf!