Nun bin ich seit einigen Wochen wohnhaft in den Niederlanden. Das macht mich noch lange nicht zu einem Kenner der Niederlande, aber ein paar Dinge fallen schon auf, die dieses Land doch sehr markant von Deutschland unterscheiden und die nicht uninteressant sind auf die Frage hin, wie sich unterschiedliche Mentalitäten im Wirtschafts- und Arbeitsleben niederschlagen.

In Zeiten des Umzugs – gerade ins Ausland – steht ein sehr spezieller Bereich der Arbeitswelt im Vordergrund: Behörden. Öffentliche Behörden, Ämter, Versicherungen.


Einwohnermeldeamt

Um die unterschiedlichen Mentalitäten auf den Punkt zu bringen:

Einwohnermeldeamt Rotterdam: Anmeldung in zwei Mausklicks.

Einwohnermeldeamt Dortmund: nächster Termin zur Abmeldung in vier (!) Monaten.

Unabhängig davon, dass in diversen deutschen Großstädten die Unsitte auftaucht, Behördentermine zu blockieren und bei Ebay-Kleinanzeigen zu verkaufen (was aber nur geht, wenn die Terminsituation eh angespannt ist), stellt sich hier schon die Frage, wie ein solcher Unterschied zweier von der Größe her vergleichbarer Städte zustande kommt.

 

Handelskammer

Vor einigen Wochen habe ich meine selbständige Tätigkeit bei der hiesigen Handelskammer angemeldet. Ich bekam zügig einen Termin. Vorher habe ich online nachgeschaut, welche Unterlagen ich mitbringen muss und welche Formulare ich bereits ausfüllen kann.

Als ich dann zur Handelskammer kam, wurde ich in eine große, moderne Halle geführt. Dort stand ein üppiges Buffet (Gebäck, heiße und kalte Getränke …). Ich wurde eingeladen, mich erst einmal zu bedienen, die Sachbearbeiterin wird gleich kommen.

Bei ihr im Büro fragte die Sachbearbeiterin, ob ich die Formulare bereits ausgefüllt hätte oder ob wir die jetzt zusammen ausfüllen wollen.

Diese Frage steht nicht nur für eine etwas andere Haltung gegenüber dem „Kunden“, sondern für eine komplett andere Welt als in Deutschland. Dort hätte ein Kommafehler im Formular für ein genervtes Kopfschütteln und einen neuen Termin in vier Monaten gesorgt.

 

Hinter dieser anderen Unternehmenskultur in den Behörden stehen keine anderen finanziellen Voraussetzungen. Die niederländischen Behörden haben ähnlich viel Personal und sind finanziell ähnlich ausgestattet. Abgesehen davon, dass die deutsche Praxis des „Kommen Sie noch mal wieder!“ ja auch für den Sachbearbeiter doppelte Arbeitszeit bedeutet.

Der Unterschied liegt in einer völlig unterschiedlichen Mentalität und einer völlig anderen Grundhaltung. Das Gegenüber wird nicht als Bittsteller, sondern als Kunde und Bürger wahrgenommen, dem ein Dienst geleistet wird.

Wenn man dann eine selbständige Tätigkeit anmelden will, dann muss man eben nicht um die Gnade betteln, beruflich tätig sein zu dürfen, sondern man merkt sofort am Verhalten der Sachbearbeiter, dass man sich freut, dass jemand etwas aufbauen will, und ihm dabei helfen will.

Das zu vermitteln, braucht es kein großes Budget. Sondern eine bestimmte Grundhaltung, die man der Person entgegenbringt, die vor dem Schreibtisch sitzt und ein Anliegen hat.


Kultur und Haltung

Natürlich hat nicht alles reibungslos und toll geklappt bei meinem Umzug in die Niederlande. So ist es juristisch und banktechnisch leichter, ein Haus in den Niederlanden zu kaufen als ein Handy. Trotzdem fällt auf, dass die gerade in Deutschland als sehr unflexibel und sehr unhöflich verschrienen Behörden in den Niederlanden sehr pragmatisch und sehr kundenorientiert sind.

Was an öffentlichen Behörden sichtbar wird, gilt auch für die Kultur eines jeden Unternehmens: sie steht und fällt mit der Grundhaltung, die der Mitarbeiter seiner eigenen Arbeit und dem Kunden entgegenbringt. Wenn es da nicht passt, spürt man das als Kunde sofort. Entsprechend müssen die Unternehmen immer sehr genau auf ihre Unternehmenskultur schauen. Dies ist kein überflüssiger Luxus, sondern betrifft den Kern des Unternehmens.

 

Am Schluss noch das schönste Zitat eines Niederländers, das im Rahmen des Umzugs passierte.

„Ach, Sie sind gebürtig aus Oberhausen? Für uns Holländer fängt in Oberhausen der Urlaub an!“

Ich will jetzt nicht behaupten, dass für einen Ruhrgebietler in Oberhausen der Urlaub aufhört, aber stutzig wird man da schon.