Seit etwas über einem Jahr ist Donald Trump mittlerweile der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wie von vielen befürchtet, ist seine Amtszeit bislang begleitet von vielen Skandalen, dubiosen Geschäftskontakten, irrlichternden Twitter-Postings und einer Personalführung, die zwar dem Motto seiner Show („You’re fired“) gerecht wird, aber nicht einer seriösen Personalpolitik.

Es soll an dieser Stelle jedoch nicht um die zahlreichen Skandale und Nebenbaustellen seiner Präsidentschaft gehen (auch wenn ihn diese durchaus zu Fall bringen können), sondern um das Phänomen, dass dieser Mann auch einige Dinge richtig macht und Bewegung in Themen bringt, die seit Jahren festgefahren waren.

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Nehmen wir das aktuellste Beispiel: Nordkorea. In diesen Stunden werden die Modalitäten für ein Treffen zwischen den beiden koreanischen Regierungen und Donald Trump ausgelotet. Vor einigen Tagen gab es bereits ein Treffen der beiden Regierungschefs Kim Jong Un und Moon Jae In in der entmilitarisierten Zone der beiden Staaten. Selbst China, das bislang treu an der Seite Nordkoreas stand, führt konsequenter als je zuvor die von der UN geforderte Sanktionspolitik durch.

Auch wenn es weh tut – gerade wenn man die pöbelnden Twittereien von Trump im Gedächtnis hat: Trumps Anteil an dieser Entwicklung ist riesengroß.

Seit Jahrzehnten galt in der US-Administration folgendes Dogma: ein Treffen mit Nordkorea gibt es erst, wenn dieses Land eine lange Liste von Bedingungen akzeptiert. Bekannterweise macht sich Trump nicht viel aus Dogmen und überlieferten Üblichkeiten. Was er einsetzt, ist nicht das feine diplomatische Florett, sondern das Prinzip „Keule und Bierglas“: erstmal draufhauen und hinterher kann man dann einen trinken. Und dieses Prinzip funktioniert, gerade in der Außenpolitik.


“The Art of the Deal”

Um Trump zu verstehen, ist es hilfreich, sein Buch gelesen zu haben: „The Art of the Deal“ (dt.: „Die Kunst des Erfolgs“ / „So werden Sie erfolgreich“). Trumps Antrieb für sein geschäftliches und auch politisches Leben:

„Die Kunst, ein Geschäft erfolgreich abzuschließen, ist es, die mich in erster Linie motiviert. Geschäfte zu tätigen ist meine Art der Selbstverwirklichung.“

Es sei zugestanden: erst einmal sind die Verfahrensweisen in der Politik andere als im Wirtschaftsleben. Wenn man dort mit einem Geschäftspartner nicht zum Abschluss kommt, dann sucht man sich einen neuen Geschäftspartner. In der Politik geht das nicht: wenn beispielsweise eine Verhandlung mit China vermasselt wird, dann kann man nicht zu einem anderen China laufen. Es gibt nur einen Verhandlungspartner.

Dies spricht erst einmal gegen die Methode Trump, alles als einen „Deal“ zu betrachten. Aber: Trumps politische Verhandlungspartner können nicht so einfach aufstehen und gehen. Auch sie sind auf einen „Deal“ angewiesen, dafür sind die USA einfach zu mächtig. Auch die USA gibt es nur einmal.

Dies ermöglicht Trump seine Deals in der Politik einzusetzen. Nicht immer erfolgreich, aber doch recht oft.

Trumps Vorgehensweise bei Verhandlungen, die er in seinem Buch ausführlich schildert, ist eigentlich recht simpel: möglichst wenig festlegen, aus einer Stärke heraus verhandeln, beharrlich dranbleiben, Härte zeigen („Manchmal zahlt es sich aus, den ‚wilden Mann‘ zu spielen“).

Hierbei geht Trump durchaus rational vor. Seine verbalen und sonstigen Ausfälle sind Teil seiner Verhandlungstaktik:

„Viele Menschen sind der Meinung, ich sei ein Hasardeur. In Wahrheit haben mir Glücksspiele noch nie zugesagt.“

 

Die Einfachheit

Warum ist Trump mit diesen simplen Methoden erfolgreich in der Politik? Vielleicht weil sie so simpel sind.

Trump hat ein einfaches methodisches Repertoir („Make a Deal“), ein einfaches Weltbild („America first“) und einfache Ziele („No Mexicans“). Gerade diese Einfachheit ist seine Stärke.

Warum das?

Wie funktioniert rationales, beurteilendes Denken? Eine Sache wird nicht nur in ihrer Einfachheit, sondern auch in ihrer Komplexität wahrgenommen; diese komplexen Inhalte werden dann wieder zu einer Einheit zusammengefügt.

Beispiel: ein Baum. Um zu verstehen, was ein Baum ist und wie er funktioniert, muss ich den Baum in seiner Komplexität sehen: die Blätter, die Abhängigkeit vom Wetter, die Tiere, die im Baum leben oder sich vom Baum ernähren, der Boden usw. In einem nächsten Schritt müssen diese vielfältigen Elemente wieder zusammengebracht werden, denn schließlich will man ja den Baum verstehen.

Also letztlich ein Dreischritt: Einfachheit (Baum), Komplexität (Blätter usw.), Einfachheit (Baum).

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Politiker eines Schlags wie Trumps Vorgänger Barack Obama oder auch Angela Merkel sind Personen, die in der Lage sind, die Sachen in ihrer Komplexität wahrzunehmen. Leider gelang es ihnen nicht oder zu selten, diese Komplexität wieder auf eine Einfachheit zurückzuführen. Dies ging zumeist einher mit einer offensichtlichen Handlungsunfähigkeit, die bei Barack Obama vor allem außenpolitisch sichtbar wurde. Woran liegt das?

Zum einen daran, dass komplex denkende Menschen sich schwer tun, in den Handlungsmodus zu schalten, weil es immer noch etwas zu bedenken gibt. Zum anderen daran, dass gerade demokratisch gewählte Regierungschefs bei jeder Entscheidung im Auge haben, dass Teile der Wählerschaft diese Entscheidung nicht mittragen. Bei Regierungschefs, die nicht derartige Rücksichten auf ihre Wählerschaft nehmen müssen, gilt dies nicht, weshalb diese sehr viel entscheidungsfreudiger und durchsetzungsstärker sind: sie sehen die Einheit nach der Komplexität und agieren entsprechend.



Was ist nun mit Trump? Trump handelt aus einem Instinkt heraus. Dieser Instinkt kann auf eine große Erfahrung zurückgreifen, aber es bleibt ein Instinkt. Man kann lange darüber streiten, ob Trump nicht willens oder nicht in der Lage ist, Probleme in ihrer Komplexität wahrzunehmen: er tut es nicht und bleibt damit denkerisch auf der ersten Stufe.

Damit wird Trump in vielen Dingen Schiffbruch erleiden, aber diese Einfachheit kann gerade da zur Stärke werden, wo sich die Situation durch die Komplexität festgefahren hat, gerade in der Außenpolitik. Ob Korea (Verhandlungen), der Nahe Osten (Annäherung Saudi-Arabien an Israel), die NATO (Zahlungen der Mitglieder), Außenhandel (Europa, China) oder andere Schauplätze: überall gab es einen jahrzehntelangen Stillstand, der nun durch Trump aufgebrochen wird.

Systemtheoretisch geschieht hier folgendes: es gibt einen stabilen Regelkreis (z. B. Korea: es wird nicht verhandelt ohne Bedingungen), der durch Trump in einer „paradoxen Intervention“ entscheidend gestört wird. Die Einfachheit Trumps bringt Bewegung in all die Felder, die an ihrer Komplexität zu ersticken drohten.

 

Das negative Denken

Ein zweites entscheidendes Motiv, das auch mit Trumps „Einfachheit“ zu tun hat und das auch aus dem Geschäftsleben kommt: vertraue keinem. Er selbst spricht in seinem Buch von der „Macht des negativen Denkens“:

„Man hat mir außerdem nachgesagt, dass ich an die Macht des positiven Denkens glaube. Tatsache ist, dass ich von der Macht negativen Denkens überzeugt bin. … Bei einer Verhandlung gehe ich immer vom Schlimmsten aus.“

Was heißt das konkret? Gehen wir erst einmal vom Gegenteil aus, vom positiven Denken. Das positive Denken führt dazu, ein Minsker Abkommen mit Russland zu unterzeichnen, dass die Verhältnisse im Osten der Ukraine nicht anerkennt und deshalb seit Jahren faktisch nicht relevant ist. Der Westen hält dran fest: es wird schon. Positiv denken. Mit dem Iran wird ein Atom-Abkommen geschlossen, obwohl der Iran weder seine bisherige nukleare Rüstung anerkennt noch effektive Kontrollen zulässt. Es wird schon. Positives Denken.

Gerade in Bezug auf den Iran wird in diesen Tagen deutlich, was Trump mit „negativen Denken“ meint: vertraue keinem. Verträge, die nicht kontrolliert werden und deren Nichterfüllung keine Sanktionen ergibt, sind nichts anderes als ein laues Lüftchen. Das mag man moralisch bedenklich finden, realistisch ist diese Einstellung schon. Weil diese Verträge faktisch nicht existent sind und nur der vorübergehenden Beruhigung der Öffentlichkeit dienen.


Fazit

Donald Trump ist aus ethischer Sicht nicht geeignet, Präsident der USA zu sein. Seine Vergangenheit wie auch seine Gegenwart, die von Korruption und Skandalen geprägt sind, sind unverträglich mit dem Amt des Präsidenten. Ganz zu schweigen von seiner Einstellung, die er Frauen, Ausländern usw. entgegenbringt. Donald Trump mag auch aus intellektueller Sicht nicht geeignet zu sein, dieses Amt auszuüben.

Aber:

Seine „Einfachheit“ schafft gerade da Freiräume, wo sie in jahrzehntelang festgefahren Situationen bitter nötig sind. Dies wird wohl nicht bedeuten, Donald Trump als guten oder erfolgreichen Präsidenten bezeichnen zu können. Aber es ist nicht zu leugnen, dass seine Präsidentschaft auch gute und erfolgreiche Seiten hat. Hieraus ergeben sich durchaus spannende Anfragen, sowohl an die Politiker, als auch an andere Personen, die große Verantwortung besitzen und Entscheidungen treffen müssen:

  • Wo gibt es Situationen, die festgefahren sind und die einen Neuanfang nötig haben?
  • Wo verliert man sich in komplizierten Interpretationen, hat aber nicht mehr das im Auge, um das es eigentlich geht?
  • Wie kann ich eine komplexe Situation auf eine Einfachheit zurückführen, die nicht primitiv ist, aber Handlungsoptionen eröffnet?

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Die „Überlegenheit des Einfachen“ von Trump ist exakt die gleiche, die Populisten aller Völker und Nationen immer wieder anwenden. Die Dinge werden nicht in ihrer Komplexität gesehen, sondern „einfach“ gemacht.

Es kann nicht darum gehen, diese Art Einfachheit zum Modell für alle zu erklären. Es geht zum einen darum, zu sehen, warum diese Einfachheit Erfolg hat und dass es nicht nur darum geht, eine Komplexität wahrzunehmen, sondern auch darum, diese auf eine neue Einfachheit zusammenzufassen, um handlungsfähig zu sein.

Trumps Methode mag da erfolgreich sein, wo er als „paradoxe Intervention“ fungiert und eingefahrene Situationen einfach abräumt. Nun besteht politisches wie auch unternehmerisches Handeln nicht nur aus solchen eingefahrenen Situationen. Solches Handeln ist auch auf Rationalität und Komplexität angewiesen, wenn es nicht nur einen Anstoß geben soll, sondern tragfähig sein soll. Dass sich Trump hier schwertut, ist vor allem im Bereich der Innenpolitik sichtbar. Der Ersatz des Gesundheitswesens lässt aus dem Grund auf sich warten (Zitat Trump: „Die Materie ist ja komplizierter als ich gedacht habe!“).

Für verantwortetes und dauerhaftes Handeln braucht es ein rationales, reflektierendes und die Komplexität der Sache einbeziehendes Denken. Auch das lehrt Trump. Ohne es zu wollen.

 

Literaturempfehlungen:

D’Antonio, Michael: Die Wahrheit über Donald Trump.

Seeßlen, Georg: Trump! Populismus als Politik.

Trump, Donald: So werden Sie erfolgreich. Strategien für den Weg nach oben.