Manchmal passiert es, dass jemand in einer Rede oder in einem Buch etwas wirklich Großes hinkriegt, etwas, das alle aufweckt. Das passiert dann, wenn er etwas zur Sprache bringt, was eigentlich alle dachten und auch irgendwie wussten, aber trotzdem nicht präsent hatten. Wenn eine Rede oder ein Buch so etwas trifft, dann gelingt etwas wirklich Großes.

Simon Sinek, Quelle: www.ted.com

 

So etwas gelang dem Amerikaner Simon Sinek in seinem TED-Vortrag, den er 2009 hielt, und der mittlerweile über 10 Millionen Youtube-Aufrufe hat. Worum geht es in diesem Vortrag? Er trägt den Titel „Start with the why“.

 

 

Sinek startet mit der simplen Frage, warum einige Unternehmen besser oder einfach anders sind als die Konkurrenz. Wodurch ist ein Unternehmen etwas Besonderes? Oder wodurch wird ein bestimmter Mensch etwas Besonderes? Jemand, der Leute in seinen Bann schlägt? Was haben Apple oder Martin Luther King, was andere nicht haben?


Die drei Kreise

Sinek trägt dick auf: „Es ist eigentlich eine ganz simple Sache“ und malt drei Kreise auf die Flipchart: Why, How, What.

1.) Der äußere Kreis: What. Was man macht: weiß eigentlich jeder. Jedes Unternehmen, jede Person.

2.) Der mittlere Kreis: How. Weiß schon nicht mehr jeder. Wie macht man das, was man macht? Versteht man es im Detail? Schwierig.

3.) Der innere Kreis: Why. Dieses „Warum“, so Sinek, das kennen nur die wenigsten. Warum tut man das, was man tut? Wenn man dieses „Warum“ kennt, dann entsteht Inspiration, dann entsteht etwas, das überspringt.

 

Normale Kommunikation, so Sinek, beginnt bei dem What und endet beim How: Wir bauen die besten Computer, sie sind einfach zu bedienen. Greifen Sie zu!

Inspirierende Kommunikation beginnt beim Why! Sinek erklärt es mit Apple, es geht vom Why über How zum What:

„Alles, was wir tun, tun wir, um die Welt zu verändern. Das machen wir, indem unsere Produkt schön und einfach designt sind, damit jeder spürt, etwas Großes zu haben. Wollen Sie zugreifen?“

 

Die Kommunikation, die im „Warum“ beginnt, hat das gewisse Etwas. Und das betrifft nicht nur die Kommunikation, sondern das ganze Unternehmen bzw. die ganze Person: was auch immer sie macht, sie macht es aus einem bestimmten Glauben heraus, aus einer bestimmten Vision heraus. Das spürt man und das steckt an. Als Person und als Unternehmen. Wofür brenne ich? Was treibt mich an? Für welche Idee will ich meine Kräfte einsetzen und wofür nicht?

Sinek ist etwas wirklich Großes gelungen: mit simplen Worten und Beispielen auf etwas aufmerksam zu machen, das jeder eigentlich wusste und trotzdem nicht wirklich bewusst war: es geht immer um das Warum, und damit um den Sinn.

 

Der Sinn

Der Sinn ist es, der motiviert. Ein Mitarbeiter, der das Gefühl hat, etwas Sinnloses zu machen, ist nicht motiviert. Entweder er macht Dienst nach Vorschrift, oder er wird krank, oder er wechselt den Arbeitgeber. Nichts davon ist gut, weder für den Mitarbeiter, noch für das Unternehmen.

Der Sinn ist es, der einem Unternehmen das gewisse Etwas verleiht, Ausstrahlung, Orientierung. Etwas, das über das bloße Tagesgeschäft hinausreicht und deutlich macht, worum es dem Unternehmen eigentlich geht.

 

Was ist Sinn überhaupt?

Sinn ist etwas, das über das konkrete Leben bzw. über die aktuellen Handlungen hinausreicht, das aber die Möglichkeit gibt, das Leben oder die Handlungen in einer bestimmten Art und Weise zu deuten und einzuordnen: nämlich als sinnlos oder sinnvoll.

Es ist eine Idee, die man hat, eine Grundidee, die einem hilft, sich zu orientieren: Stimmt das, was ich hier mache, mit dem überein, wie ich mir ein sinnvolles Leben oder eine sinnvolle Arbeit vorstelle?

Die Sinnfrage ist sozusagen der Abgleich des Einzelnen, Konkreten mit dem großen Ganzen, mit der großen Idee, die man für die Welt und für sich hat.

 

Wenn dieser Abgleich fehlt, dann fehlt die Möglichkeit, das Einzelne, Konkrete einzuordnen. Man arbeitet orientierungslos vor sich hin, man merkt, dass es eigentlich egal ist, ob man was macht oder wie man es macht: es ist sinnlos.

„Sinnvoll“ ist es dann, wenn man merkt, dass das, was man da gerade tut, der eigenen Vision, der eigenen Idee dient: der Vorstellung, die man hat von einer guten Arbeit, die sich gut einfügt in die Idee, die man von einem sinnvollen und guten Leben hat.

Man spürt, dass ein Unternehmen diesen Sinn hat, wenn die Produkte nicht nach Zufall oder nach kurzfristigem Bedarf auf den Markt geworfen werden, sondern eine große Idee dahintersteckt. Erst diese Idee macht das Unternehmen zu etwas Einmaligen: für die Kunden wie für die Mitarbeiter wie für die Führungskräfte.


Sinn als Arbeit

Eine solche Idee fällt nicht vom Himmel, sondern muss errungen werden, damit sie wirklich greifbar wird. Dies gilt für ein Unternehmen genauso wie für eine Person. Die Voraussetzung dafür ist erstmal, sich zu überlegen, wie diese Idee eigentlich aussieht. Dann gilt es diese Idee zu formulieren und immer wieder mit der Realität abzugleichen: Ist diese Idee noch aktuell, kann sie mir Sinn geben? Glaube ich an diese Idee, dann kommt das auch in dem rüber, was ich tue. Als Person und als Unternehmen.

Die heutige Welt, die sog. VUCA-Welt, ist nicht nur von Schnelllebigkeit, sondern auch von einer gewissen Orientierungslosigkeit geprägt, die oft auch Sinnlosigkeit bedeutet. Im Unterschied zu früheren Zeiten gibt es nicht mehr die großen Institutionen, die den Menschen Orientierung und Sinn vermitteln können (wie etwa früher die Kirchen), sondern ein unübersehbares Angebot von Sinnentwürfen. Sinn ist immer individuell, hat aber auch eine objektive Ebene, die in diesen Zeiten ungenügend bedient wird. Was den Bedarf umso größer macht.

 

Literaturempfehlungen:

Frankl, Victor: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn.

Sinek, Simon: Finde Dein Warum.

Sinek, Simon: Frag immer erst: Warum.