Donald Trump erklärt dem Rest der Welt den Handelskrieg. Die Motivation für diesen Handelskrieg kommt aus einem verkehrten Verständnis von Handel, das allerdings nicht nur bei Trump, sondern auch bei vielen Kritikern des Kapitalismus verbreitet ist und in politischen Debatten seit jeher immer wieder auftaucht.
Der Grundirrtum ist derjenige, dass es bei einem Handelsaustausch immer Gewinner und Verlierer gibt: eine Ware hat einen bestimmten Wert und entweder wird zuviel für diese Ware bezahlt (dann gewinnt der Verkäufer) oder zu wenig (dann gewinnt der Käufer). Man nennt diese Annahme den „Montaigne-Irrtum“. Woher dieser Name stammt und was Michel de Montaigne mit diesem Irrtum zu tun hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
Für eine Ware gibt es keinen objektiven Wert und genau das ist der Grund dafür, dass überhaupt mit Waren gehandelt und Austausch betrieben wird.
Nehmen wir als Beispiel einen Mann, der an einem Feld mit Apfelbäumen vorbeiläuft. Er hat Hunger und fragt den Bauern, ob er einen Apfel haben könnte. Der Bauer ist bereit, ihm einen Apfel für einen Euro zu verkaufen. Was ist der Apfel wert? Für den Bauern ist er weniger wert als einen Euro, deshalb ist er zufrieden, wenn er ihn für einen Euro verkaufen kann und bietet ihn dafür an. Für den Mann, der den Apfel haben will, ist der Apfel mehr wert als ein Euro, deshalb kauft er ihn und ist damit zufrieden.
Es gibt keinen objektiven Wert einer bestimmten Sache. Dass die Menschen eine Sache unterschiedlich wertvoll einschätzen, ist erst der Grund dafür, mit ihr Handel treiben zu können.
Seitdem Menschen über Handel nachdenken, unterliegen sie dem Irrtum, dass einer Sache ein objektiver Wert zukommt. Bereits Aristoteles im alten Griechenland schrieb, dass eine Sache über einen bestimmten „Tauschwert“ verfügen würde, der sich nach dem Bedürfnis des Käufers richten würde. Im Mittelalter haben dann Leute wie Albertus Magnus oder Thomas von Aquin und den Wert einer Sache durch die Herstellungskosten und den Arbeitsaufwand definiert – einer Spur, die noch Karl Marx im 19. Jahrhundert folgen wird.
In den letzten Jahrhunderten hat es immer wieder Versuche gegeben, den objektiven Wert einer Sache zu berechnen, sei es durch den Aufwand der Herstellung durch Material und Arbeit, sei es durch das Bedürfnis des Käufers oder allgemein durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Natürlich spielen alle diese Dinge eine gewichtige Rolle. Wenn man eine Ware anbietet, muss der Preis so gestaltet sein, dass der Verkäufer seinen eigenen Aufwand wieder finanziert bekommt, sonst wird er auf Dauer nicht mehr produzieren können. Aber es gibt eben nicht den einen, völlig objektiv berechenbaren Wert und das Spannende ist eben, dass es immer einen Wertunterschied für Verkäufer und Käufer geben muss, damit ein Tausch zustandekommt und beide Seiten ein Interesse und ein Bedürfnis haben, den Tausch durchzuführen.
Warum tauschen die Menschen überhaupt?

Adam Smith (1723-1790), Quelle: www.wikipedia.org
Adam Smith, ebenfalls Vertreter eines objektiven Werts einer Sache, vermutete einen angeborenen Tauschtrieb des Menschen, was eine einigermaßen hilflose Vermutung ist. Der Grund des Tauschens und Handelns liegt eben darin, dass es keinen objektiven Wert einer Sache gibt und beide Seiten einen unterschiedlichen Wert und damit auch im Falle des Tauschs für sich einen Vorteil sehen. Damit kommt der Effekt zustande, dass nicht einer beim Handel gewinnt und der andere verliert, sondern im Normalfall beide die Gewinner sind.
So wird ein Mehrwert erzeugt.
Die früheren Wirtschaftstheorien gingen davon aus, dass im Handel kein Mehrwert entsteht. So verstanden, war der Handel letztlich ein Nullsummenspiel. Es gibt sozusagen einen Kuchen in einer bestimmten Größe und was im Handel geklärt wird, ist, wie dieser Kuchen verteilt wird.
In diesem Glauben ist man dann bei einem Trump, aber auch bei den Merkantilisten des 17. Jahrhunderts, die glaubten, durch den Schutz des eigenen Kuchens für Wohlstand sorgen zu können. Nicht das Verteidigen des Kuchens, sondern das Größermachen des Kuchens sorgt allerdings für Wohlstand.
Nehmen wir der Einfachheit halber einen denkbar simplen Wirtschaftskreislauf auf einer einsamen Insel, auf der Robinson Crusoe gelandet ist. Crusoe ist ein begabter Fischer, der sich jeden Tag aus dem Meer seine Mahlzeit holt. Dann trifft er auf Freitag, der beispielsweise gut klettern kann und damit täglich viele Kokosnüsse von den Palmen holen kann.
Beide merken, dass sie Fische UND Kokosnüsse haben wollen. Wenn sie jeweils einen halben Tag für die „neuen“ Speisen investieren, schaffen sie nur einen Bruchteil dessen, was sie bisher erhielten. Wenn sie – wie bisher – einen ganzen Tag in das investieren, was sie gut können und dann tauschen, machen sie Gewinn.
So funktioniert Handel und so funktioniert ein Tausch, der keine Verlierer, sondern nur Gewinner kennt. Natürlich ist der Welthandel heutzutage komplexer als dieses Beispiel von Robinson Crusoe. Aber die Basis ist die gleiche: ein Austausch der verschiedenen Möglichkeiten, damit alle Seiten gewinnen und der Wohlstand der Gesellschaften größer wird.
Trump verkennt hier das Wesen des Handels, wenn er glaubt, Wohlstand mehren zu können, indem ein Handel unterbunden wird. Die USA sind nicht der Verlierer, sondern seit vielen Jahrzehnten Nutznießer des internationalen Handels. Indem Trump mit der Axt an den Welthandel geht, gefährdet er den Wohlstand aller. Vor allem den der USA.
Wie immer haben es die Griechen gut auf den Punkt gebracht: Das griechische Wort für „Tauschen“ („katallattein“) hat noch eine weitere Bedeutung: „einen Feind zum Freund machen“. Was im Tausch und im Handel passiert, verschafft beiden Seiten einen Gewinn und kann auch eine neue Vertrauensbasis zwischen den handelnden Nationen schaffen. Ein solches Denken ist Trump völlig fremd, da er nicht in den Kategorien von gesellschaftlichem Wohlstand, sondern von persönlichem Nutzen denkt und in den Kategorien von Siegen und Verlieren.
Mit diesen Kategorien wird man dem allerdings nicht gerecht, was in den letzten Jahrzehnten in unseren Gesellschaften an Wohlstand entstanden ist. Je schneller Trump bzw. sein Umfeld das erkennt, desto besser für alle.
Der letzte US-Präsident, der mit so einer „Beggar-thy-neighour“-Taktik versuchte, die eigene Wirtschaft zu stärken, indem die anderen Wirtschaften geschwächt werden, war Herbert Hoover. 1929 führte er nach dem „schwarzen Freitag“ an der Börse neue Zölle von 60% auf 20.000 Produkte ein. In den nächsten Jahren brach der Welthandel um zwei Drittel ein.