In den letzten Jahren sind in vielen Ländern Politiker und politische Bewegungen stark geworden, die man als „rechtspopulistisch“ bezeichnet: die AfD in Deutschland, Trump in den USA, die Brexit-Bewegung in Großbritannien, Bolsonaro in Brasilien, Orban in Ungarn, Front National in Frankreich, die Lega in Italien, Baudet in den Niederlanden usw.
Alle diese Politiker bzw. politische Bewegungen nutzen sehr massiv die neuen Möglichkeiten, die das Internet und die Digitalität bieten: große Datensammlungen und Künstliche Intelligenz sorgen für passgenaue Ankunft der Botschaften, Verleumdungen politischer Gegner, Hetze gegen Ausländer, Flüchtlinge und „die da oben an der Macht“.
Es fällt auf, dass es vor politisch vor allem eher „rechte“ Bewegungen sind, die diese digitalen Mittel effizient einsetzen bzw. selbst stark werden, weil sie diese Mittel gut einsetzen können. Was ist mit der politischen Mitte? Was ist mit dem „Links“populismus? Außer Cinque Stelle in Italien gibt es hier eigentlich keine starke Bewegung von linker Seite, die in den letzten Jahren nach oben kam.
Warum rechts?
Warum ist dieses Phänomen gut funktionierender digitaler Propaganda eher auf der rechten Seite angesiedelt?
Prinzipiell gilt: jede Propaganda setzt auf Vereinfachung und Verzerrungen, nicht auf Texte, sondern auf Bilder. Mächtige Bilder. Auf Emotionen. Auf Populismus. Diese Dinge sind gewöhnlich eher am politischen Rand als in der politischen Mitte zu finden. Aber warum eher rechts als links?
Der Grund ist, dass die Stärken dieser digitalen Kampagnen perfekt zum ideologischen Gründgerüst der Rechten passen.
Die rechte Ideologie lebt stärker als die linke Ideologie von einem Freund-Feind-Denken. Der Feind ist einfach konkreter. Und damit besser darstellbar.
Was ist der Feind der Linken? Der Reiche, der den Arbeiter ausbeutet? Wie will man das bildlich darstellen? Mit einem Reichen, der in einer goldenen Badewanne sitzt? Weckt das wirklich Emotionen? Oder die Vision einer klassenlosen Gesellschaft? Welche Bilder könnten da wirkliche Emotionen wecken?
Wie arbeiten die neuen Medien am effektivsten? Sie erzeugen Emotionen. Und negative Emotionen sind stärker und unmittelbarer als positive Emotionen. Und negative Emotionen spalten.
Die Online-Propaganda der neuen Medien bewirkt Spaltung und lebt von der Spaltung. Und genau das ist eher ein rechtes als ein linkes Motiv. Die Linke strebt auf eine Einheit hin, die Rechte strebt nach Absonderung, des eigenen Volkes, der eigenen Kultur.
Das ist der Grund, warum gerade die rechtspopulistischen Bewegungen diese neue Technik nutzen und weiter oben stehen, weil sie diese neue Technik nutzen. Es passt verdammt gut zusammen.
Eine demokratische Partei oder eine linke Partei könnte diese digitale Technik gar nicht so effektiv nutzen wie eine rechte Partei, weil der Inhalt nicht so gut zu dieser Technik passt.
Nehmen wir das Thema Flüchtlinge.
- Eine linke Partei sagt: Wir wollen alle armen Menschen, alle Flüchtlinge aufnehmen.
- Eine Partei der Mitte sagt: wir können nicht alle Armen auf der Welt aufnehmen, aus humanitären Gründen müssen wir Flüchtlinge aufnehmen, wir wollen die aber gut verteilen, wir müssen miteinander sprechen.
- Eine rechte Partei sagt: mit den Flüchtlingen kommen Mörder und Asoziale.
Frage: wer von denen kann die eindrucksvollsten Bilder produzieren? Die die meisten Emotionen hervorrufen?
Die Mittel, welche die digitale Propaganda möglich machen, passen am besten in eine rechte Ideologie: es geht um Emotionen, schnelle Bilder, um Spaltung und um das Schüren von Hass und Verachtung.
Die neuen Möglichkeiten der Digitalität sind damit ein fast natürlicher Partner der politischen Rechten. Dem kann die politische Mitte in diesem Gebiet nicht viel entgegensetzen. Rationalität und Komplexität sind nicht so griffig wie Emotionen und Einfachheit. Die politische Linke ist ebenfalls nicht so kompatibel, weil ihre Erklärungsstrukturen und politischen Ziele komplizierter sind als auf der rechten Seite.
Fazit
Das Aufkommen rechtspopulistischer Gruppierungen und Personen ist eng verbunden mit den digitalen Medien (vgl. den Blog “Digitalisierung und Demokratie“). Hieraus ergeben sich wichtige Aspekte für den einzelnen Bürger, aber auch für den Staat bzw. die Gesellschaft als Ganze.
Der Umgang mit den digitalen Medien muss stärker als bisher zum Thema in der Bildung werden: wie kann man glaubwürdige Quellen erkennen? Welche Medien im Internet sind seriös, welche nicht? Den Umgang mit diesen Dingen, die unseren gesellschaftlichen Diskurs beeinflussen, sollte man nicht dem Zufall überlassen. Man kann ihn lernen.
Umgekehrt sollte der Staat stärker als bisher in den Augenschein nehmen, was online alles politisch passiert. Dies betrifft die Hassrede genauso wie den Datenschutz. Es kann nicht sein, dass einerseits in Pandemiezeiten Gesundheitsämter nicht auf Daten der Einwohnermeldeämter zurückgreifen durfte, aber andererseits Datenlecks von Facebook es ermöglichten, dass Hunderte Millionen von Nutzerprofilen mit jeweils (!) 5000 Datenpunkten angelegt werden, die in den politischen Wahlkämpfen für gewisse politische Gruppierungen zum Brandbeschleuniger wurden.
Einen Fehler dürfen die demokratischen politischen Parteien der Mitte nicht machen, auch wenn er einigen Politikern sehr verlockend zu sein scheint: selbst populistisch werden. Selbst auf Vereinfachung und Emotionen setzen und Komplexität und Rationalität abstreifen. Zum einen bringt es kaum stimmen, weil diese Dinge vom politischen Rand immer besser gekonnt werden. Zum anderen wäre es das Ende einer rationalen und demokratischen Gesprächskultur und damit auch das schrittweise Ende der Demokratie.