In den ersten drei Teilen der „Geschichte der Unternehmensberatung“ ging es um die „Erfindung der Unternehmensberatung“, um die Frage, warum es sie auf einmal gab, sowie um die ersten großen inhaltlichen Schwerpunkte: das „Wissenschaftliche Management“ Talyors (das Unternehmen als Maschine) und dann um das „Soziologische Management“ (das Unternehmen als Ansammlung von Menschen).

Nun geht die Geschichte weiter und wir kommen in die Gegenwart mit ihren neuen Herausforderungen.


Die Digitalisierung

Der Computer in den 80er Jahren und das Internet in den 90er Jahren sorgen für eine Zeitenwende, die bis heute anhält. Die Digitalisierung.

Die Digitalisierung schreitet weiter voran. Sie eröffnet neue Problemfelder, die von den bisherigen inhaltlichen Schwerpunkten der Beratungsfirmen nur ungenügend aufgefangen werden können. Es sind neue Herausforderungen, mit denen die Unternehmen und die Beratungsfirmen in dieser Form noch nicht konfrontiert waren.

Um welche Herausforderungen handelt es sich genau?

Wissen

„Wissen“ spielt in der Beratung von Unternehmen natürlich eine zentrale Rolle.

Ein Unternehmen beauftragt eine Beratungsfirma ja in der Hoffnung, dass diese über ein Wissen verfügt, das dem Unternehmen fehlt – Ein Wissen, das aber benötigt wird, um eine bestimmte Situation zu bestehen.

Die moderne Unternehmensberatung war ja Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Anspruch entstanden, auf wissenschaftlicher Grundlage eine Beratungsdienstleistung für das Management anbieten zu können.

Die wissenschaftstheoretische Grundlage des „Scientific Management“ besteht in der Quantifizierbarkeit sämtlicher relevanter Faktoren, insbesondere der Arbeits- und Produktionsabläufe, um die Effektivität des Unternehmens zu steigern.

Dahinter steckt der Anspruch, eine Managementlehre entwerfen zu können, die wissenschaftlichen Kriterien standhält, also ein theoretisch-logisches Wissen sei, das auf der Erkenntnis von Kausalitäten beruht.

Kausalitäten

Eine Kausalität liegt wissenschaftstheoretisch dann vor, wenn eine bestimmte Ursache die einzig mögliche Ursache für eine bestimmte Wirkung ist.

Wenn A angestossen wird, dann fällt B. Und ich muss A sehr genau kennen, um zu wissen, warum etwas mit B passiert.

Diese umfassende Kenntnis von Kausalitäten erweist sich aber in Zeiten als unmöglich, die sehr volatil und sehr komplex sind.

Es erweist sich immer mehr als unmöglich, solche Kausalitäten zu bestimmen, jeden Faktor des Unternehmens mathematisch präzise festzulegen und daraus eindeutige Folgen und damit Handlungsmaßnahmen zu bestimmen.

Welches Wissen?

Der von vielen Unternehmensberatungen vertretene Anspruch, über theoretisch-logisches Wissen zu verfügen und dieses anwenden zu können, ist daher aus zwei Perspektiven heraus fragwürdig:

  • zum einen, ob die beanspruchte wissenschaftliche Grundlage dieses Wissens überhaupt vorhanden ist,
  • und zum anderen, ob ein solches vermeintlich allgemeingültiges Wissen auf die jeweils unterschiedliche unternehmerische Situation übertragbar ist.

 

Hieraus ergibt sich die zentrale strategische Frage für die Unternehmensberatung, inwiefern sie in der Lage ist, aus der sich immer mehr steigernden Komplexität die Fakten zu gewinnen und verarbeiten zu können, die für eine strategische Neuausrichtung notwendig sind.

Diese betrifft auch die vielen Tools, die in der Beratung der Unternehmen eingesetzt werden und die ein objektives Verfahren mit einem objektiven Wissen suggerieren, das immer zweifelhafter wird.


Verfügbarkeit des Wissens

Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, dass in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung jede Art von Wissen in früher nicht möglichem Ausmaß allgemein verfügbar ist.

Die Beratungsfirmen stehen vor der Schwierigkeit, ein exklusives Wissen nachweisen zu müssen, das jedoch nicht exklusiv zu sein scheint.

Die von der Soziologie beschriebene „Demokratisierung des Wissens“ geht auch an der Beratungsbranche nicht spurlos vorüber. Sie muss immer neu nachweisen, dass sie ein Wissen anbietet, das die Unternehmen nicht haben.

Wissen

Wissen bietet Sicherheit. Scheinwissen leider auch. Wissen braucht ein Fundament. Eine Kenntnis der Fakten. Diese Eindeutigkeit ist in VUCA-Zeiten immer schwieriger herzustellen, weil es immer schneller geht, weil die Fakten immer schwerer zu erkennen sind und dann logischerweise Wissen zu Scheinwissen wird.

Was sind Fakten und was nicht?

Was ist Wissen und wie erlange ich Wissen?

Eine große Herausforderung unserer Zeit, nicht nur, aber auch für die Unternehmen.