Als erstes im Krieg stirbt die Wahrheit, heißt es. Die Tatsache, dass unterschiedliche Interessensgruppen auch unterschiedliche Sichtweisen kommunizieren, dass Fakten verdreht und in eine bestimmte Richtung gelenkt werden, ist allerdings nicht nur im Krieg relevant, sondern jeden Tag.

Wir sehen es im Ukraine-Krieg, wir sahen es aber auch bei der Corona-Pandemie, bei der Trump-Regierung, bei Putin usw. Was ist jetzt die Wahrheit? Was ist Propaganda? Was sind Fakten und was nicht? Was sind News und was sind Fake-News? Und wie kann ich sie unterscheiden?


 

Propaganda

Unter Propaganda versteht man den Versuch, eine öffentliche Meinung in eine bestimmte, interessegeleitete Richtung zu lenken. In diesem Sinne ist Propaganda uralt. Die Verherrlichung der Kriegstaten der Pharaonen vor 5000 Jahren ist genauso Propaganda wie die Versuche Caesars, seinen Krieg in Gallien zu rechtfertigen oder der Päpste, Europa für einen Kreuzzug zu begeistern. Es war immer so, dass Fakten verdreht oder auch erfunden wurden, um bestimmte Dinge zu rechtfertigen.

Was sich aber schon beobachten lässt, ist eine Zunahme oder Verschärfung der Propaganda in den letzten 100 Jahren. Insbesondere die Massenmobilisierung im I. Weltkrieg, aber auch die modernen Autokratien waren und sind Meister der Propaganda. Als „Erfinder“ der modernen Propaganda und ihrer Methodik gilt Edward Bernays (vgl. Blog über Bernays) in den 30er Jahren.

Für die Verschärfung der Propaganda gibt es zwei Ursachen:

  • Immer mehr Medien: je mehr Möglichkeiten ich habe, eine bestimmte Sichtweise zu kommunizieren, desto mehr mache ich das auch.
    Immer bessere Drucktechniken, immer mehr Bücher und Zeitungen, die Heraufkunft von Radio, Film und Fernsehen, schließlich das Internet: die Medien werden immer dominanter im Alltag der Menschen. Die damit auch immer beeinflussbarer werden.
  • Weniger „Wahrheit“: „Alles ist Interpretation“, so Nietzsche im 19. Jahrhundert. Frühere, feste Weltbilder (z. B. das Christentum) schwinden zusehends. Damit steigt die Anfälligkeit, neue Weltbilder zusammenzusetzen und neue Sichtweisen zu adaptieren. Gute wie schlechte.

Der optimale Zustand von Propaganda wird da erreicht, wo sie als einzige die öffentliche Meinung beeinflussen kann. Entsprechend intensiv versuchten und versuchen autokratische Regierungen, jede andere konkurrierende Meinungsäußerung unmöglich zu machen durch Pressezensur, Kontrolle des Internets usw. Entsprechend wichtig ist eine freie Presse, entsprechend unglaubwürdig sind Äußerungen von Staaten, in denen es keine freie Presse gibt.


 

Was ist zu beachten?

Zu vielen Dingen muss man als politisch interessierter Mensch ein Urteil abgeben, ohne sich in diesen Gebieten wirklich auszukennen. Die wenigsten von uns sind Virologen oder Epidemologen, um wirklich fundierte Urteile über die Corona-Pandemie abgeben zu können. Die wenigsten von uns sind Waffen- oder Militärexperten, um die deutsche Unterstützung der Ukraine beurteilen zu können. Die wenigsten von uns sind Steuer- und Finanzexperten, um die aktuellen Vorschläge der Bundesregierung beurteilen zu können.

Trotzdem müssen wir in diesen und vielen anderen Gebieten ein Urteil treffen, letztlich um unserer Verantwortung als Bürger gerecht zu werden und bei den nächsten Wahlen eine gute Entscheidung zu treffen.

Es ist nicht möglich, auf die Schnelle in allen Gebieten ein Experte zu werden. Es geht vielmehr darum, auf das Urteil der Experten zu vertrauen und dafür ist es wichtig, vertrauenswürdige Experten zu finden bzw. vertrauenswürdige Medien, die auf gute Experten zurückgreifen.

 

Gibt es eine Blase?

Jeder von uns hat bevorzugte Quellen, in denen er sich informiert. Die Gefahr ist allerdings sehr groß, dass sich – auch dank der Logarithmen im Internet – eine sog. Blase entwickelt, weil man immer nur die gleichen Medien zur Kenntnis nimmt. Dieses Problem ist nicht neu: auch vor 50 Jahren gab es solche Blasen: ein überzeugter Christ oder Sozialdemokrat las natürlich Zeitungen, die seinem Weltbild entsprachen. Dennoch hat sich die Situation durch das Internet verschärft, weil man immer mehr Medien rezipieren kann und immer mehr einseitige Informationen eine deutlich größere Überzeugungskraft und Tiefe haben.

Prinzipiell ist also darauf zu achten, gerade bei wichtigen Fragen ein möglichst breites Spektrum an Medien auszuwählen, um ein möglichst realistisches und wahrheitsgetreues Bild zu erhalten.

 

Welche Medien?

Die Medien müssen in einem freien Wettkampf um Informationen stehen, um glaubwürdig zu sein. Um ein Extrembeispiel zu nennen: das russische Staatsfernsehen scheidet damit als Informationsquelle aus. Die Medien sollten in einem freien Wettbewerb stehen, sie sollten allgemein als „seriös“ gelten und sie sollten aus verschiedenen politischen Lagern und Ländern kommen. Also rechts wie links, fortschrittlich wie konservativ, nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Ländern, die man gut kennt und deren Sprache man beherrscht.

Wenn man sich diese unterschiedlichen Medien zu einer Frage angeschaut hat, wird man Widersprüche feststellen, da es eben einzelne ideologische oder kulturelle Unterschiede gibt. Es wird aber auch Gemeinsamkeiten geben. Diese Gemeinsamkeiten müssen nicht stimmen, aber dagegen muss man erst einmal schlüssig argumentieren können. Erst einmal gilt dann das, was sich in den seriösen Medien als Konsens herauskristallisiert. Seriös bedeutet, dass das Medium ein gewisses Alter hat, einen allgemein guten Ruf und auch von der Medien-Konkurrenz als seriös wahrgenommen wird.


 

Was ist ein Experte?

In den Medien werden gerne „Experten“ aufgefahren um eine bestimmte Meinung mit „Fakten“ zu belegen. Wie kann man solche Experten beurteilen? Oft kann man durch einfaches Googlen herausfinden, was es mit dieser Expertise auf sich hat: nicht jeder Dr. med ist ein Virologe und nicht jeder Politikwissenschaftler ein Experte für russische Waffentechnik. Dann ist es spannend, wo sich dieser Experte bisher geäußert hat: waren es nur Youtube-Videos oder waren es Fachartikel? In welchen Medien tritt dieser Experte auf? Sind es verschiedene Medien oder immer die gleichen? Wie stehen andere Experten zu seiner Meinung? Was sagt die Fachwelt?

 

Der gesunde Menschenverstand

Bei allem gilt: den gesunden Menschenverstand benutzen. Das heißt nicht: ich höre irgendwelche Fakten und lasse mein Bauchgefühl entscheiden, sondern bedeutet: ist das, was ich da höre, eigentlich schlüssig?

Ist die russische Version, dass ein Flugzeugabsturz fingiert wurde, indem man das Flugzeug bereits vorher mit Leichen vollstopfte, wahrscheinlicher als ein versehentlicher Abschuss durch russische Separatisten? Wäre die Bundesregierung oder irgendeine andere Regierung logistisch und organisatorisch überhaupt in der Lage, so etwas wie eine Pandemie zu inszenieren? Wo sie schon an simpleren Sachen scheitert? Ist es plausibel, dass 4G-Sendemasten Viren verteilen? Kann diese Meldung wirklich vom Spiegel oder von der FAZ kommen, wenn auffällig viele Rechtschreibfehler auftauchen?

 

Fazit

Die Fähigkeit, Propaganda zu erkennen und News von Fake-News zu unterscheiden, ist die zentrale Fähigkeit, von der das Überleben einer Demokratie abhängt. Diese Fähigkeit wird immer wieder auf eine harte Probe gestellt, weil Propaganda und Fake-News leider nicht immer leicht zu erkennen sind. Wichtig ist: es geht nicht darum, in jedem Themengebiet ein Experte zu werden. Es geht vor allem darum, auf vertrauenswürdige Medien und Experten zurückzugreifen. Vertrauenswürdig heißt nicht: sympathischer. Es gibt Kriterien für Vertrauen und Seriosität. Wie frei das Medium ist und in welcher freien Presselandschaft es sich bewegt. Welches Ansehen das Medium hat, auch bei der Konkurrenz. Welche Expertise die dort genannten Experten besitzen usw.

Diese Dinge im Auge zu haben, ist kein Hexenwerk. Es braucht vielleicht etwas mehr Zeit, als sich ein schnelles Youtube-Video anzuschauen. Aber es ist Zeit, die sich lohnt.