Die Logik ist eine der großen Herrscherinnen unserer Zeit – allen Unkenrufen zum Trotz. Alles muss einer klaren Logik folgen: ein Unternehmen oder ein einzelner Mitarbeiter sind so gut oder schlecht, wie sie funktionieren, d. h. wie gut oder schlecht sie sich in die möglichst logisch abgestimmten Abläufe einfügen.

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Die Höhe des Gewinns ist abhängig von der Effizienz, diese wiederum ist davon abhängig, wie logisch aufgebaut das entsprechende Unternehmen ist. Diese Versuche, das Leben logisch und effizient zu organisieren, sind natürlich nicht auf das Berufsleben beschränkt, sondern gehen weiter darüber hinaus: „Warum soll ich das machen? Was bringt mir das?“

Natürlich wissen wir alle, dass weder ein Unternehmen noch ein menschliches Leben logisch ist. Wir (also zumindest die meisten) wissen, dass ein Leben in einem sehr hohen Ausmaß irrational ist. Trotzdem bleibt das Bemühen um Effizienz und Logik.


Die Philosophie als Mutter der Logik

Die Philosophie kann voller Stolz darauf verweisen, die Mutter und Erfinderin der Logik zu sein. Das ist eine tolle Sache, darf aber nicht dazu verführen, zu glauben, dass es der Philosophie in ihrem Kern um Logik geht. Dieser Verführung erliegen selbst viele Philosophen, was es aber umso gefährlicher macht.

Der Philosophie geht es in ihrem Kern nicht um Logik, sondern um Rationalität, um Vernunft.

Was will die Philosophie: sie will den Menschen und seine Sicht auf die Welt erklären. Dabei kann sie sich aus einem leicht ersichtlichen Grund nicht auf die Logik beschränken: weder der Mensch noch seine Sicht auf die Welt sind logisch: sein Leben ist voll von Emotionen, Brüchen, Schwächen, Inkonsequenzen und anderen Dingen, die schlicht und einfach in kein logisches Raster passen.

Wo setzt dann aber die Philosophie an?

Sie setzt beim Menschen an, um Dinge an ihm logisch zu erklären, weiß aber darum, dass der Mensch selbst nicht logisch ist. Die Philosophie trifft Aussagen über den Menschen, die miteinander in einem logischen Verhältnis stehen müssen, aber das, worüber die Aussagen gemacht werden, muss nicht logisch sein. Nicht das, worüber ich spreche, muss logisch sein, sondern das, was ich darüber sage.

 

Rationalität

Der Mensch handelt auch unlogisch und irrational. Trotzdem gibt es in seinem Handeln Gesetzmäßigkeiten. Man kann die Handlungen erkennen, mit anderen Handlungen vergleichen und logische Folgen und Systeme dieser Handlungen beschreiben, wohlwissend, dass derjenige, der diese Handlungen ausführt, nicht in vollem Sinne durch dieses logische System erklärt werden kann.

Menschliches Handeln beruht zwar auf Gründen, aber nicht auf Logik. Das ist der Unterschied zwischen Rationalität und Logik.

So kann sich jemand einen teuren Sportwagen kaufen. Das mag rein logisch nicht begründbar sein, weil der Preis in keinem Verhältnis zu einem normalen Wagen steht oder weil der Wagen umwelttechnisch gesehen zumindest fragwürdig ist. Dennoch ist dieser Kauf „begründet“ aus der Rationalität des Käufers: für ihn besitzen Geschwindigkeit und Ästhetik einen so großen Wert, dass er den Wagen kaufen kann und dies für sich rational begründet.

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Die Begründungsstrukturen, nach denen der Mensch handelt, sind nur in den seltensten Fällen rein logisch. Zumeist sind sie abhängig von bestimmten Werten, die der eine so und der andere so sieht und einschätzt.

Die Philosophie schaut auf diese Begründungsstrukturen und auf die Werte, die ihnen zugrunde liegen. Sie vergleicht die Werte und Ziele menschlichen Handelns, dies durchaus mit den Mitteln der Logik, aber immer im Wissen darum, dass es letztlich um ein nicht logisch funktionierendes Wesen geht: den Menschen. Hierbei wird die Logik nicht abgelehnt, aber sie ist eben nicht der allein bestimmende Faktor.


Aristoteles

Der Philosophie geht es letztlich nicht um Logik, sondern um Rationalität und Vernunft. Was soll das sein?

Schauen wir auf einen, der es wissen muss, weil er als Begründer der Logik gilt: Aristoteles.

„Ein rationaler Mann scheint sich also darin zu zeigen, dass er wohl zu überlegen weiß, was ihm gut und nützlich ist, nicht in einer einzelnen Hinsicht, z. B. in Bezug auf Gesundheit oder Kraft, sondern in Bezug auf das, was das menschliche Leben gut und glücklich macht.“ (NE VI,5)

Aristoteles (384-322 v. Chr.) (Quelle: www.wikipedia.org)

Die Rationalität hat mit Überlegen und Abwägen zu tun. Mit der Suche nach Begründungen für das eigene Handeln. Dieses Handeln muss das große Ganze des Lebens im Auge haben, nicht einzelne Teile. Jemand, der „wohl und richtig überlegt” – so Aristoteles – ist jemand, der die Faktoren des Lebens so gewichten und einordnen kann, dass sie dem Menschen ein realistisches Bild dieser Faktoren und damit eine solche Grundlage für seine Handlungen geben, dass er gut und glücklich leben kann.

Was unterscheidet diese Rationalität von der Logik?

Das beschreibt Aristoteles im gleichen Kapitel (NE VI,5): in der rein logischen Wissenschaft geht es um logische Folgen. 2+2 muss 4 sein. Es ist logisch und alles andere ist undenkbar.

Die Rationalität hingegen geht mit Faktoren um, die nicht rein logisch sind und die nicht so sein müssen, wie sie sind.

Die Logik beschreibt logische Folgen, die Rationalität vernünftige Handlungen. Das ist zweierlei – auch wenn es keinen großen Gegensatz zwischen diesen beiden Dingen geben sollte.

Eine vernünftige Handlung sollte nicht unlogisch sein, aber eben auch nicht nur durch die Logik beurteilbar.

 

Philosophie als Rationalität

Die Philosophie untersucht,

  • warum der Mensch in einer bestimmten Art und Weise handelt,
  • warum er sich in einer bestimmten Art und Weise in der Welt einordnet,
  • warum er die Welt in einer bestimmten Art und Weise interpretiert

und beurteilt, ob diese Handlungen und Sichtweisen dem dienen, was das Leben als Ganzes „gut und glücklich“ macht.

Dieses philosophische Denken arbeitet logisch, ist aber nicht deckungsgleich mit der Logik. Damit beschreibt die Philosophie einen urmenschlichen Raum des Denkens, der nicht maschinell reproduzierbar ist. Und damit auch nicht durch eine Künstliche Intelligenz aufgelöst werden kann, die notwendigerweise nach den Regeln der formalen Logik arbeitet.

Wenn es eine Tatsache gibt, die die Wichtigkeit der Philosophie für die Zukunft belegt, dann diese.